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Die Dunkle Aufklärung

Palantir, der von Peter Thiel gegründete Spionagekonzern – Slogan: Die Software ist das Waffensystem – gewinnt in Washington massiv an Einfluss. Auch US-Medien erkennen, dass »Donald Trump Peter Thiels erfolgreichstes Investment« ist. Kein Wunder, hat Thiel mit seinem Protegé JD Vance doch einen direkten Draht ins Oval Office. Während die Freude über Trumps Wahlsieg vor Ort dem blanken Entsetzen weicht, scheint es geboten, zu untersuchen, welcher Philosophie das, im negativen Sinne, abolitionistische und weitverzweigte »Thiel-Verse« eigentlich folgt.





Tom-Oliver Regenauer | 10.05.2025


Europäischer Tunnelblick

 

In unseren Breiten sprach man schon seit jeher gerne davon, dass »Amerika den Europäern immer voraus« ist. Dass »der alte Kontinent« stets zehn Jahre im Hintertreffen ist. In der Finanzbranche attestierte man auch gerne mal einen Rückstand von »20 Jahren«. Bemängelt wurde im Rahmen solcher Analysen zumeist die mangelnde Innovationskraft europäischer Unternehmen, die gemäß einschlägiger Experten vor allem auf die Regulierungswut der hiesigen Bürokratie zurückzuführen ist. Langwierige Genehmigungsprozesse, kompliziertes Steuerrecht, zu kleine Kapitalmärkte und komplexe Datenschutzanforderungen schrecken Gründer und Investoren ab. »Bürokraten regulieren Europa zu Tode«, bringt es der Ökonom und Unternehmer Dirk Specht am 29. November 2024 auf den Punkt. Aus Sicht des Entrepreneurs eine durchaus nachvollziehbare Einordnung.

 

Denn selbst wenn die Hürden der Unternehmensgründung einmal überwunden sind, machen Bürokratiekosten selbst in kleinen Firmen knapp drei Prozent vom Umsatz aus. Im industriellen Mittelstand übersteigen sie nicht selten die jährliche Bruttoumsatzrendite von durchschnittlich fünfeinhalb Prozent. Von den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen – siehe Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – gar nicht erst anzufangen. In puncto Flexibilität ist Europa für Unternehmer also tatsächlich nur bedingt attraktiv.

 

Ganz anders die USA. Deregulierung, Seed-Capital en Masse und ein Arbeitsrecht, das den Slogan »Hire and fire« weltberühmt machte – gemäß Tagesschau vom 11. Februar 2025 übrigens ein Modell, das dank Microsoft, Meta und SAP langsam auch in Deutschland Einzug hält. Diese unternehmerische Freiheit – oder Zügellosigkeit – machte Amerika zum Start-up-Inkubator. Zum Gründerparadies. Wall Street, Motorcity, Silicon Valley, Hollywood, et cetera. Ein Mekka für Investoren. Und ein Alptraum für Arbeitnehmer.

 

Alles richtig. Oberflächlich betrachtet. Dass bei dieser sehr kurzsichtigen Analyse stets außer Acht gelassen wird, welchen Anteil die beiden Weltkriege, angloamerikanische Finanzdynastien, halbseidene NGO-Netzwerke und vor allem über ein Dutzend Geheimdienste an Amerikas Wirtschaftswachstum der vergangenen 100 Jahre haben, trübt den Blick der europäischen Unternehmergarde allerdings nachhaltig. Denn er negiert den historischen Kontext. Vermutlich läuft Roger Köppels Editorial für DIE WELTWOCHE vom 01. Mai 2025 deshalb immer noch ungeniert unter dem Titel »Hoffnungsträger Trump«.

 

Ich habe täglich Kontakt mit Geschäftspartnern in den USA – und bei denen ist von Hoffnung nicht (mehr) viel zu spüren. Begriffe wie Planungsprobleme, Stornierung, Unsicherheit oder Lieferengpass fallen dagegen immer häufiger. Investor’s Business Daily nannte den Zustand vor wenigen Stunden »ein Erdbeben«, weil Trumps »Handelskrieg-Tsunami« nun auch die Häfen der Vereinigten Staaten erreicht hat. Die laufen langsam leer. Frachter und Tanker mit Importwaren löschen ihre Ladung nicht. Oder kommen gar nicht mehr an. Die auf Basis von Strafzöllen zu erwartenden Lieferengpässe »könnten die Folgen der Covid-Krise übertreffen«, konstatiert das Investment-Magazin.

 

Was also passiert gerade in den Vereinigten Staaten? Sollte Europa tatsächlich neidisch auf die vermeintlichen Wettbewerbsvorteile Amerikas sein – oder gar auf die aktuellen politischen Entwicklungen? Auf Effizienzsteigerung der Marke DOGE? Nein, keinesfalls. Denn zum einen sorgen die turbokapitalistischen Exzesse im »Land der unbegrenzten Möglichkeiten« dafür, dass Arbeitnehmer endgültig zu Lohnsklaven degradiert werden, die den Launen von Märkten und Unternehmen relativ schutzlos ausgeliefert sind. Zum anderen beruht der Erfolg amerikanischer Konzerne keineswegs auf deren Innovationskraft, einem laxen Arbeitsrecht oder genialem Unternehmertum, sondern primär auf tiefenstaatlichem Interventionismus. Das gilt seit dem Jahrtausendwechsel vor allem für die Tech-Branche. Denn die USA sind nicht einfach eine Wirtschaftsmacht, sondern der militärische Arm des angloamerikanischen Empire.

 

Das zeigen die »Glorreichen Sieben« – Google, Microsoft, Apple, Amazon, Alphabet, Meta, Tesla und Nvidia – die allesamt erst durch Startfinanzierung seitens Militär und Geheimdiensten wurden, was sie heute sind: Die Speerspitze des technokratischen Totalitarismus. Nachdem selbst The Economist am 10. Dezember 2024 feststellte, dass mit der Wiederwahl von Donald Trump nun »die PayPal-Mafia die US-Regierung übernimmt«, sollte man in unseren Bereiten also eventuell etwas kritischer begutachten, was die entsprechenden Konzerne dort treiben. Denn es ist angesichts von Agenda 2030, aktuellen EU-Programmen, EZB-Planungen und einer Kriegswirtschaft kolportierenden Bundesregierung unter BlackRock-Merz nicht davon auszugehen, dass es dieses Mal zehn oder zwanzig Jahre dauert, bis diese Entwicklungen auch bei uns ankommen.

 

Palantir & DOGE

 

Das bezieht sich insbesondere auf Elon Musks DOGE – das »Department of Government Efficiency« – eine neu geschaffene Behörde, die sich auf Effizienzsteigerung in Sachen Regierungsgeschäfte konzentrieren soll. Dies selbstredend unter flächendeckender Zuhilfenahme von KI (Künstlicher Intelligenz), die wiederum auf entsprechende Datenpools angewiesen ist. Um solche kurzfristig zur Verfügung zu stellen, durchforstet, hackt und kapert Musks DOGE-Team die IT-Abteilungen, Server und Netzwerke von Ministerien und Bundesbehörden. Vor allem auf Finanzdaten hat man es abgesehen. An geltendes Recht hält sich DOGE dabei nicht. Datenschützer sind alarmiert. Und Whistleblower werden von Musks Team bedroht. All das passiert in enger Zusammenarbeit mit Oracle, einem weiteren von der CIA startfinanzierten IT-Riesen – und natürlich Palantir, dem von Peter Thiel gegründeten Spionage- und Killerkonzern.


So berichtete Reuters am 6. Mai 2025 beispielsweise über ein neues Gemeinschaftsprojekt von Elon Musks xAI und Palantir, das die Nutzung der jeweiligen KI-Lösungen im Finanzsektor vorantreiben will – dies, nachdem xAI, BlackRock und Microsoft bereits im März ein neues Konsortium zur Erweiterung von KI-Infrastruktur ins Leben riefen. Im Department of Homeland Security (DHS) ist DOGE aktuell damit beschäftigt, das IDENT-System des »Office of Biometric Identity Management« (OBIM) zu übernehmen – die weltweit größte Datenbank für biometrische Informationen, die von praktisch allen US-Behörden aber auch internationalen Partnern genutzt wird. Zusammengeführt werden sollen die von DOGE gekaperten Daten in HART (Homeland Advanced Recognition Technology System), einem neuen, mit über sechs Milliarden US-Dollar budgetierten Überwachungssystem des DHS, das in Kollaboration mit Palantir-Programmen die flächendeckende Überwachung der Bevölkerung analog zu China ermöglichen wird.

 

Palantir wurde 2003 gegründet und arbeitet seither, das belegt eine 2013 geleakte Kundenliste, für mindestens 12 US-Regierungseinrichtungen: CIA, DHS, NSA, FBI, CDC, Special Operations Command, et cetera. Schon vor knapp zehn Jahren häuften sich Berichte – wie zum Beispiel von WIRED am 9. August 2017 – die belegten, dass Palantir die vermeintlich vertraulichen Daten, die zum Beispiel Polizisten in Los Angeles seit 2009 in Datenbanken des Konzerns erfassen, kopiert, verkauft und zweckentfremdet. Dass Palantir das rechtsextreme, zionistische Regime von Benjamin Netanjahu bei seinem Genozid in Gaza unterstützt, ist ebenfalls kein Geheimnis mehr. Die strategische Partnerschaft zwischen Thiels Tötungsmaschine und den IDF wurde nach Berichten von Bloomberg vom 12. Januar 2024 gar ausgeweitet. Gideon Levy bescheinigt seinem Land in einem Beitrag der Haaretz vom 19. Januar 2025, in Gaza den »ersten faschistischen Krieg« seiner Geschichte zu führen. Womit wir wieder bei Palantir und den Vereinigten Staaten wären.

 

Denn wie ich bereits in meinem Artikel über Thiel vom 22. September 2024 in Aussicht gestellt hatte, kommt dem gebürtigen Frankfurter eine ganz besondere Rolle in Trumps neuer Regierung zu. Vom »Paten« der PayPal-Mafia und Geheimdienst-Frontmann zum Palantir-Boss und Bilderberg-Leitungsmitglied – und nun einflussreichsten Mann hinter der US-Regierung. Ohne Peter Thiels finanzielle Unterstützung wäre JD Vance weder Geschäftsmann noch Senator in Ohio oder US-Vizepräsident geworden. So verwundert es kaum, dass Palantir bereits 100 Tage nach Donald Trumps Amtsantritt Zugriff auf sämtliche Steuer-, Gesundheits- und Bewegungsdaten der US-Bevölkerung hat und diese in einer Datenbank zusammenführt, um seine KI darauf anzusetzen. Selbst die Speicher von Smartwatches und Fitness-Armbändern werden angezapft. Kein Datensatz ist mehr tabu.

 

Wie diese Daten künftig verwendet werden – und zwar gegen alles und jeden – zeigt eine von Palantir entwickelte Software namens »ImmigrationOS«. Ein System, das der US-Regierung hilft, das Leben von Migranten zu durchleuchten und permanent zu überwachen. Inklusive biografischer, biometrischer und Geolokationsdaten. Die auf Basis dieser Daten entwickelten Empfehlungen nutzt das ICE (Immigration and Customs Enforcement), um Menschen in die an Massentierhaltung erinnernden Supermax-Gefängnisse von El Salvador abzuschieben. Für Deportationen ohne Beweise, Anhörung, Gerichtsverhandlung und Rechtsgrundlage. Eine in dieser Form fraglos verfassungsfeindliche Ausweitung des »Catch and Revoke« Programms, dem anstelle illegaler Einwanderer nun auch Doktoranden, Studenten oder unbescholtene Arbeitnehmer zum Opfer fallen – siehe der Fall Kilmar Abrego Garcia – vor allem solche, die den Völkermord in Gaza kritisieren.

 

Es dürfte derweil nur eine Frage der Zeit sein, bis das zugrundliegende, am 30. April 2025 verabschiedete »Antisemitismus-Gesetz« auf weitere unliebsame Personenkreise angewendet wird. Der Bundesstaat Alabama lässt sich bereits von der fragwürdigen Deportationspraxis Washingtons inspirieren und kündigte in Person des Republikaners Chris Sells am 1. Mai 2025 an, selbst ein Gesetz erlassen zu wollen, das die Abschiebung verurteilter Personen ins Ausland ermöglicht. Gemäß Sells wolle man mit dem Gesetzesvorschlag nur ein Zeichen setzen. Mit einer Verabschiedung rechne man nicht. Trump verkündete unterdes, neben Migranten künftig auch US-Bürger und Ureinwohner nach El Salvador verfrachten zu wollen. Verfassungsrechtlich ein absolutes Tabu. Bisher.

 

The Atlantic nennt diese Entwicklungen am 27. April 2025 ein »amerikanisches Panoptikum«. Zu Recht. Denn Palantirs zentralisierter Datenpool wird sich zum mächtigsten Unterdrückungsinstrument der Zivilisationsgeschichte auswachsen – und in nicht allzu ferner Zukunft auch gegen jene MAGA-Anhänger eingesetzt werden, die solch faschistoide Vorgänge derzeit noch bejubeln. Gegen das, was da auf uns zukommt, waren Corona-Tracking und 2G-Segregation geradezu harmlos.

 

Entsprechend hellhörig sollte es machen, dass die NATO Palantirs KI-Lösungen – genauer: die »Maven AI« – künftig für militärische Planungszwecke einsetzt, wie eine Presseerklärung des »Verteidigungsbündnisses« vom 14. April 2025 ausführt. Denn »Project Maven« ist auf ein Memorandum des US-Verteidigungsministeriums vom 26. April 2017 zurückzuführen und hatte zum Ziel, ein »funktionsübergreifendes Team für algorithmische Kriegsführung« zu schaffen. Unterstützt wurde das US-Militär dabei zunächst von Google. Also dem Unternehmen, das einst unter dem Motto »Don’t be evil« – Sei nicht böse! – angetreten war. Begleitet wurde Googles Engagement für Project Maven von einem massiven Aufruhr in der Belegschaft und Artikelüberschriften wie »Hey Google, wen soll die US-Regierung heute töten?«. Offene Briefe an Google-Chef Sundar Pichai forderten 2018, der IT-Konzern solle die Partnerschaft mit dem Pentagon unverzüglich beenden. Und das tat Google auch.

 

Project Maven lief natürlich trotzdem weiter. Wie Breaking Defense am 27. April 2022 ausführte, wurde das Vorhaben nach Googles Rückzug der NGA (National Geospatial Intelligence Agency) unterstellt und gemäß Informationen des Forbes Magazine fortan von Eric Schmidt (Google, Bilderberg), Peter Thiel und James Murdoch, dem jüngeren Sohn von Rupert Murdoch finanziert. Maven AI ist das KI-Flaggschiff des US-Militärs – und wird jetzt als Palantir-Produkt weltweit ausgerollt. Vorboten sind in Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen bereits im Einsatz und dürften angesichts der Iden des Merz wohl bald bundesweit Verwendung finden. Es ist also keineswegs übertrieben, wenn der US-Journalist Derrick Broze am 24. April 2025 von der »Palantir World Order« spricht – einem überstaatlichen Herrschaftssystem, das zuvorderst aufgrund seiner auf zwielichtigen bis illegalen Akkumulationsprozessen basierenden Deutungs- und Interventionshoheit in puncto Big Data fußt. Getreu dem Palantir-Slogan: »Die Software ist das Waffensystem«. Selbst eine in der ARD-Mediathek abrufbare Doku des NDR über Palantir von 10. Juni 2024 läuft unter dem eindeutigen Titel »Eine Software, die töten kann«.

 

Ja, das Geschäft mit dem industriell-digitalisierten Auftragsmord boomt. Denn internationale Konflikte nehmen zu und die Observationsökonomie erlebt einen Quantensprung. Entsprechend profitabel fiel das erste Quartal 2025 für Thiels Unternehmen aus. Stolze 884 Millionen US-Dollar stellte man Kunden in Rechnung. Ein Wachstum von 39 Prozent gegenüber dem Vorjahr und 21,7 Millionen mehr als prognostiziert. Am 5. Mai 2025 gab die Palantir Aktie zwar um 15 Prozent nach – laut Analysten könnte die Aktie aber auch um 70 Prozent fallen und wäre immer noch die teuerste Marke unter Softwareanbietern in diesem Segment.

 

Das sollte zu denken geben. Denn die USA durchlaufen eine Metamorphose – weg von demokratischen Strukturen und hin zur »Algokratie«. Die PayPal-Mafia hat das Weiße Haus gekapert und demonstriert dem Wertewesten, was er im Zuge der vierten industriellen Revolution zu erwarten hat: Tech-Feudalismus, dessen Oligarchen sich aufgrund vermeintlicher Sachzwänge schamlos über Recht und Gesetz hinwegsetzen. Nicht von ungefähr hat Donald Trump in seinen ersten 100 Amtstagen bereits 141 »Exekutive Orders« unterzeichnet. Ohne dabei auch nur einmal das Repräsentantenhaus einzubeziehen oder demokratische Prozesse zu respektieren. In diesem Lichte betrachtet erscheint das Cover des TIME Magazine vom Juni 2018, auf dem »The Donald« als König abgebildet war – Titel: »King me« – heute zeitgemäßer denn je.

 

Dunkle Aufklärung

 

Und das ist kein Zufall. Wirft man nämlich einen Blick auf die philosophischen Konzepte, die Menschen wie Peter Thiel, JD Vance oder Elon Musk inspirieren, zeigt sich, dass die entsprechenden Pamphlete genau das fordern: Eine postmoderne Version von Monarchie. Einen CEO, der das Land führt wie einen Großkonzern. Mittels KI – und auf Basis des amerikanischen Arbeitsrechts natürlich. Vielsagend, dass Donald Trump am 19. April 2025 auf Twitter ankündigte, exakt das tun zu wollen:

 

»Das ist gesunder Menschenverstand und wird ermöglichen, dass die Bundesregierung endlich „wie ein Unternehmen geführt wird“.«

 

Dass Trump den letzten Teil des Satzes in Anführungszeichen setzt, impliziert, dass er jemanden zitiert. Von wem die Phrase stammt, lässt er allerdings offen. Der US-Präsident scheint jedenfalls den Ratschlägen seines Vize JD Vance zu folgen, der bereits am 17. September 2021 in einem Interview mit dem Jack Murphy Podcast sagte:

 

»Was Trump tun sollte, wenn ich ihm einen Ratschlag geben dürfte: Feuere jeden einzelnen Bürokraten der mittleren Leitungsebene, jeden Beamten in der Verwaltung, und ersetze ihn mit unseren Leuten. Und wenn man dich dafür verklagt, wenn dich die Gerichte aufhalten wollen – denn man wird dich dafür verklagen – stell dich vor das Land, so wie Andrew Jackson, und sag den Menschen, dass der oberste Entscheidungsträger sein Urteil bereits gefällt hat. Jetzt lasst es ihn auch umsetzen.«

 

Und so geschah es. Denn als der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten am 19. April 2025 entschied, dass die juristisch fragwürdigen Deportationen zu stoppen sind, schrieb Donald Trump auf Twitter:

 

»Ich wurde unter anderem gewählt, um schlechte Menschen aus den Vereinigten Staaten zu entfernen. Ich muss meine Arbeit tun dürfen.«

 

Damit stellt sich Trump offen gegen die höchste juristische Instanz des Landes und fordert, trotz eines geltenden Urteils weitermachen zu können. Für dieses Vorgehen sucht er Rückhalt in der Bevölkerung. Er will die Gerichte unter Druck zu setzen, um regieren zu können wie ein Monarch. So, wie es die Vordenker der »Neoreaktionären Bewegung« (NRx) – zumeist »Dunkle Aufklärung« genannt – vorschlagen. Bei dieser politischen Philosophie handelt es sich selbst laut Wikipedia um ein »antidemokratisches, antiegalitäres, reaktionäres und neofeudales Konzept«. Geprägt wurde es von einem etwas kauzig anmutenden Blogger namens Curtis Yarvin, der auf seiner Webseite »Unqualified Reservations« ab 2007 und unter dem Pseudonym Mencius Moldbug Texte über das Versagen der Demokratie und Theorien zu alternativen Herrschaftsformen publizierte.

 

Weiterentwickelt wurden diese Konzepte unter anderem von Nick Land, einem britischen Schriftsteller, der als Vater des »Akzelerationismus« gilt und mit einem Blog-Beitrag aus dem Jahr 2013 auch den Begriff »Dunkle Aufklärung« für Yarvins Theorien aufbrachte. In seinen späteren Texten redete der Brite einem »wissenschaftlichen Rassismus«, der Eugenik und dem von ihm geprägten Begriff »Hyperrassismus« das Wort. Bei der rechtsnationalistischen bis rechtsextremen Alt-Right-Bewegung stieß er damit auf offene Ohren. Die deutsche Publikation »nd – Journalismus von Links« findet diesen »Philosophen der digitalen Entgrenzung« in einem Beitrag vom 21. Mai 2023 aber trotzdem »interessant«. Dass Nick Land gerne Amphetamin konsumiert und eine Weile im Haus des 1947 verstorbenen Satanisten Aleister Crowley lebte, scheint nd-Autor Konstantin Jahn eher Bewunderung abzuringen. Seinem ehemaligen Arbeitgeber, The New Center for Research & Practice, allerdings nicht – der setzte Land am 29. März 2017 wegen rassistischer Umtriebe vor die Tür.

 

Von Curtis Yarvin war nach der Einstellung seines Blogs im Jahr 2016 unterdes nicht mehr viel zu hören. Bis jetzt. Denn anno 2025 schreibt plötzlich die Financial Times über »die Philosophie hinter Trumps Dunkler Aufklärung«. Ebenso die New York Times, die Yarvin im Januar 2025 zum großen Interview für eine Titelstory bat. Selbst der Bayrische Rundfunk schrieb am 23. März 2025 über den einst nur Insidern bekannten Blogger. Und natürlich Politico, wo am 30. Januar 2025 ein Artikel über Yarvin erschien. Aufmacher: »Curtis Yarvins Ideen waren Randerscheinungen. Jetzt verbreiten sie sich in Trumps Washington«. Im Zuge seines Textes beschreibt Autor Ian Ward, wie Yarvin nach Washington reiste, um auf Einladung des Trump-Teams an der pompösen Inaugurationsfeier teilzunehmen, wo er unter anderem mit dem ehemaligen Thiel-Angestellten JD Vance sprach, der die politischen Theorien von Yarvin mehrfach bei öffentlichen Auftritten lobte, zitierte und als wichtigen Einfluss auf sein Denken nannte. Im Gespräch mit Ward führte Yarvin aus, dass er Trump gegenüber zunächst skeptisch gewesen sei, weil er sich nicht sicher war, ob Trump den von ihm empfohlenen Regimewechsel überhaupt durchziehen könne.

 

Zwischenzeitlich habe sich jedoch Optimismus eingestellt, so Yarvin, denn man könne in Trumps Kabinett eine »neugewonnene Selbstsicherheit und Aggressivität« spüren. Kein Wunder, besteht es doch in weiten Teilen aus Protegés, Kollegen, Geschäftspartnern und Freunden von Peter Thiel – zu letzteren gehört nach Aussage von Thiel übrigens auch der neue Chef der NIH (National Institutes of Health), Jay Bhattacharya, der zuvor unter anderem bei der Hoover Institution sowie der RAND Corporation tätig war. Aufgabenbereich: Demographie und Ökonomie von Gesundheit und Altern mit Schwerpunkt auf Regierungsprogrammen und biomedizinischer Innovation.

 

Wer sich mit Thiel beschäftigt hat, wird kaum überrascht sein, dass der in Frankfurt geborene Milliardär Anhänger der »Dunklen Aufklärung« ist. Schon im Mai 2016 schrieb Curtis Yarvin eine E-Mail an einen Bekannten und erklärte: »Ich coache Thiel«. Der brauche aber deutlich weniger politische Orientierungshilfe als gedacht, so Yarvin. »Ich habe die Wahlen in seinem Haus angeschaut. Ich glaube, mein Hangover dauerte bis Dienstag. Er (Thiel) ist völlig aufgeklärt, geht aber sehr vorsichtig vor«, konstatiert Yarvin in seiner Mail. Zu diesem Zeitpunkt stand der dunkle Aufklärer auch in Kontakt mit dem technischen Redakteur von Breitbart News, dem seinerzeit wichtigsten Sprachrohr von Trumps ehemaligem Chefstrategen Steve Bannon, »dem Medien-Baron der Alt-Right-Bewegung«, der sich ebenfalls an Yarvins Konzepten orientierte, dessen Bücher öffentlich empfahl und maßgeblich dazu beitrug, dass Donald Trump die Wahl gegen Hillary »Body Count« Clinton gewann.

 

Nach Angaben von BuzzFeed News stand auch Peter Thiel 2016 in Kontakt mit besagtem Breitbart-Redakteur. In einem Podcast auftreten, wollte er allerdings nicht. »Lass uns einfach Kaffee holen und dann schauen, was wir machen«, antwortete der Palantir-Gründer im Mai auf eine Interview-Einladung von Breitbart. Und im Juni lud Thiel den Breitbart-Mitarbeiter zum Abendessen in sein Haus in den Hollywood Hills ein. Man darf davon ausgehen, dass es bei diesen Gesprächen um finanzielle Unterstützung von Breitbart News, beziehungsweise der Alt-Right-Bewegung ging. Sprich, um Stimmungsmache für Trump.

 

Im Wahlkampf 2024 war Thiel weniger zurückhaltend. JD Vance hatte seinen Gönner ja auch bereits im August 2024 via Forbes Magazine dazu aufgerufen, »die Seitenlinie zu verlassen und für Trump zu spenden«. Kurz darauf überwies der Exil-Deutsche mindestens 1,25 Millionen Dollar. Die Betonung liegt auf mindestens. Denn als JD Vance 2022 für den Senat kandidierte, spendete Thiel ganze 15 Millionen US-Dollar für dessen Kampagne. Für manch einen vorausschauenden Journalisten war deshalb schon im Sommer 2024 klar: »Donald Trump ist Peter Thiels erfolgreichstes Investment«.

 

»Letztes Jahr veröffentlichte der Journalist Max Chafkin eine Biografie über Thiel (…), in der er Yarvin als den politischen Philosophen (…) für ein Netzwerk bezeichnete, das man als Thiel-Verse kennt. Das Buch erklärt, wie Thiel sowohl Cruz als auch Josh Hawley auf ihrem Weg in den Senat half. Es endet mit einem düsteren Bild des Milliardärs, der versucht, seinen politischen Einfluss immer offener auszuweiten (…). Masters und Vance unterscheiden sich von Hawley und Cruz, schreibt Chafkin – erstere sind verlängerte Arme von Thiel«.

 

Das konnte man in der Vanity Fair am 20. April 2022 über Thiels Bemühungen lesen, sich politischen Einfluss für Trumps zweite Amtsperiode zu sichern. Unter der Überschrift »Im Inneren der Neuen Rechten – wo Peter Thiel seine größten Einsätze platziert« erklärt das Blatt: »Sie sind nicht MAGA. Sie sind nicht QAnon. Curtis Yarvin und die aufstrebende Rechte entwickeln eine andere Form konservativer Politik«.

 

So stellt sich an dieser Stelle unweigerlich die Frage: Was für eine Politik soll das sein? Warum verkünden Thiel-Weggefährten wie Elon Musk stolz, »nicht nur MAGA, sondern Dark MAGA« zu sein?  Was fordern »Akzelerationismus« und »Dunkle Aufklärung«? Wie sieht der von Yarvin, Land, Thiel, Vance, Trump, Musk und Co. avisierte Soll-Zustand aus?

 

Auf den Punkt bringt das ein Akronym, das Curtis Yarvin seit 2012 benutzt: RAGE. Es steht für »Retire All Government Employees«, übersetzt also dafür, alle Regierungsmitarbeiter zu entlassen. Auch der von Thiel finanzierte Republikaner Blake Masters nutzte das Akronym schon öffentlich. Nur so könne man das amerikanische »Regime« stürzen. »Was wir brauchen«, so Yarvin, »ist ein nationaler CEO – oder das, was man einen Diktator nennt«. Die Amerikaner müssten ihre »Diktatoren-Phobie« überwinden, damit das Land »wie ein Start-up geführt werden kann«. Nach Ansicht von The Brooklyn Rail ist das mittlerweile der Fall. Denn am 30. Januar 2025 veröffentlichte das Medienportal einen Artikel, in dem Autor David Levi Strauss erklärt, die US-Bevölkerung akzeptiere nun endlich »die Idee, dass das Land von einem CEO und wie ein Konzern oder eine Diktatur geführt werden müsse, weil sie – wie Peter Thiel schon 2009 erklärte – nicht mehr daran glauben, dass Freiheit und Demokratie kompatibel sind«.

 

Ob Akzelerationismus, Neoreaktionäre Bewegung oder Dunkle Aufklärung, sie alle plädieren für eine Rückkehr zu traditionellen gesellschaftlichen Konstrukten und Regierungsformen, inklusive des absoluten Monarchismus. Dafür soll der Staat in eine private Aktiengesellschaft umgewandelt werden, in welcher dem Geschäftsführer absolute Macht zukommt. Gleichheit lehnen alle drei Strömungen als politisches Ziel ab. Stattdessen verfolgt man rationalistische oder utilaristische Konzepte sozialer Schichtung, die auf Erbmerkmalen oder Leistungsprinzipien beruhen – sprich, auf den Grundgedanken der Eugenik.

 

Diese neue Regierungsform, »Gov-Corp«, wie der britische Journalist Iain Davis das Modell in seinen betreffenden Artikeln und einem lesenswerten Zweiteiler betitelt, wird aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Technologie eine nie gekannte Machtfülle besitzen – eine Machtfülle, die sich aufgrund genau dieser Technologie mit Leichtigkeit als liberale Marktwirtschaft vermarkten lässt. Als rationales, effizientes und individuelle Freiheit suggerierendes Modell zur Steuerung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Obwohl man als Bürger – oder sagt man besser Kunde, Mitarbeiter oder Bilanzposition? – vertraglich verpflichtet wird, seine Rechte an die herrschende Konzernstruktur zu übertragen. Analog zu den Bewohnern von Peter Thiels »Start-up City« Próspera – die derzeit versucht, ihr Gastland Honduras mit einer erfolgsversprechenden Klage im Wert von 10,7 Milliarden US-Dollar in den Staatsbankrott zu treiben.

 

Universelle Menschenrechte sind im Gov-Corp-Modell jedenfalls nicht vorgesehen. Wenn neoreaktionäre Theoretiker wie Curtis Yarvin von »Exit« sprechen, also vom Verlassen demokratischer Strukturen, stellen sie gleichzeitig eine »Opt-in-Society« in Aussicht. Was vordergründig erst einmal gut klingt, soll man sich die Serviceangebote des Staates doch nach eigenen Bedürfnissen konfigurieren dürfen, entpuppt sich schnell als totalitäres wie inhumanes Konstrukt. Als Tech-Feudalismus. Denn für diejenigen, die in der »sozialen Schichtung« untere Ränge bekleiden, sich die Serviceangebote von Gov-Corp nicht leisten können oder den Chef kritisieren, wird es rasch ungemütlich. Siehe Supermax-Gefängnisse.

 

Dementsprechend zurückhaltend sollte man sein, wenn verheißungsvolle Begriffe wie Freedom Cities, Charter Cities, Start-up Cities oder »Network State« fallen. Denn gerade letzterer steht für nichts anderes als die finale Ausbaustufe von Gov-Corp. Für ein Netzwerk autonomer Städte, die jeweils von einem eigenen CEO mit absolutistischer Macht geführt werden. Sprich, für einen Zusammenschluss kleiner Königreiche – oder Niederlassungen – eines Konzerns namens Regierung. Das Konzept Netzwerk-Staat ist in dieser Form Balaji Srinivasan zuzuschreiben, dem ehemaligen CTO von Coinbase und Partner von Andreessen Horowitz. Sein im Juli 2022 veröffentlichtes Buch »The Network State« beschreibt auf fast 500 Seiten, wie »der Nachfolger des Nationalstaats« aussehen soll. Eine unausgegorene Spinnerei ist das Ganze also nicht mehr. Im Gegenteil. Srinivasan gründete extra einen Fond, um das Konzept Netzwerk-Staat voranzutreiben und wird dabei von diversen Tech-Milliardären unterstützt.

 

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Netscape-Gründer Marc Andreessen bereits Anfang Oktober 2013 prognostizierte, dass »es in den kommenden Jahren doppelt so viele, oder drei oder vier Mal so viele Länder geben wird«. Andreessens »Techno-Optimist Manifesto« vom 16. Oktober 2023 erwähnt zwar weder Yarvin noch Land oder Srinivasan, aber es outet den Verfasser als eingefleischten Akzelerationisten – und als Fan des Transhumanisten Ray Kurzweil.

 

Für Außenstehende mag Srinivasans Konzept abseitig anmuten. Aber es zog Kreise. Selbst die New York Times berichtete am 28. Oktober 2013 über eine Rede des bekennenden Staatsfeinds bei der Silicon Valley »Startup School«. Der entsprechende Artikel eröffnet mit dem Worten: »Silicon Valley aufgeschreckt von Sezessionsruf. Erst die Sklavenhalter im Süden, jetzt das. Versucht Silicon Valley, sich von Amerika abzuspalten?«. Während das Nachrichtenportal TechCrunch die »Dunkle Aufklärung« Ende 2013 noch als Bewegung von Nerds abtat, die eine Monarchie fordern, sprach man beim britischen Telegraph im Januar 2014 bereits von »anspruchsvollem Neo-Faschismus«.

 

Die Granden der Big-Tech-Branche wissen seit über einem Jahrzehnt, dass ihr digital-finanzieller Komplex die Welt beherrscht und sie mittels Disruption jede andere Industrie zum Handlanger degradiert haben. Dementsprechend selbstbewusst treten ihre Vordenker, Theoretiker und Philosophen auf. Nicht umsonst teilt auch Patri Friedman, Enkel des Nobelpreisträgers Milton Friedman, neoreaktionäre Positionen – auch wenn er sich 2009 mit Yarvin überwarf, seither »eine politisch korrektere dunkle Aufklärung« fordert und nun eigene Freedom Cities auf schwimmenden Plattformen in internationalen Gewässern schaffen will. Dafür gründete er 2019 Pronomos Capital, ein Unternehmen, das über 13 Millionen US-Dollar von Thiel, Srinivasan und Andreessen erhielt, Próspera finanziert und ähnliche Projekte in Afrika, Südostasien und Palau im Portfolio hat.

 

Die omnipräsente Konstante: Peter Thiel – der nicht nur in Firmen von Yarvin, Srinivasan oder Friedman investiert, sondern Donald Trump auch bei der Auswahl von Kabinettsmitgliedern beriet. So kam es, dass Thiels Kumpel Srinivasan sogar im Gespräch für den Chefposten der FDA (Food and Drug Administration) war. Eine hochrangige Position im Staatsapparat. Erstaunlich, erinnert man sich an dessen staatsfeindliche Rede bei der »Startup School«. Die Japan Times findet am 19. Juni 2024 passende Worte für diese Vorgänge:

 

»Es wird immer deutlicher: Führende Techno-Libertäre (…) sind nur insoweit gegen den Staat, als er sie nicht persönlich bereichert. Angesichts der Aussicht, dass die Regierung zu einem Großkunden wird, löst sich der einst prinzipielle Widerstand gegen die Staatsmacht auf. Dieser Wandel lässt sich auch bei Thiel selbst beobachten. 2009 erklärte er, dass die große Aufgabe für Libertäre darin bestehe, Politik in all ihren Formen zu entkommen. Doch 2016 engagierte sich Thiel voll und ganz für Parteipolitik und hielt eine Rede auf dem Parteitag der Republikaner. Inzwischen ist Palantir, das von ihm mitgegründete Datenanalyseunternehmen, zu einem Giganten herangewachsen und profitiert von riesigen Regierungsaufträgen. Fast die Hälfte seiner Einnahmen stammt mittlerweile aus öffentlichen Mitteln.«

 

Keine Frage: Peter Thiel ist Dreh- und Angelpunkt hinter der neuen US-Regierung. Der Pate der PayPal-Mafia ist der mächtigste Mann in Washington und Palantir die treibende Kraft hinter dem digitalen Panoptikum, das sich dort derzeit formiert. Und was Elon Musk als DOGE verkauft, erinnert im Kern an RAGE. Selbst das TIME Magazine stellt anhand der bislang 30.000 gefeuerten Regierungsmitarbeiter fest, dass die Vorgehensweise von Trump und Co. keineswegs Zufall ist, sondern exakt der Programmatik von Yarvins »Dunkler Aufklärung« folgt. Nur in unseren Breiten tut man sich immer noch schwer damit, das zu erkennen – oder einräumen zu wollen.

 

Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens: Bis dato hat kein deutschsprachiger Journalist ausführlich über diese Zusammenhänge berichtet und den notwendigen Kontext hergestellt. Zweitens: Ist man vom herrschenden System enttäuscht und stößt bei der Suche nach Alternativen auf die Analysen von Yarvin oder Srinivasan, wirken diese wie Balsam in den Ohren, geht man als Kritiker des übermächtigen und -griffigen Staates doch in weiten Teilen mit deren Einordnung aktueller Probleme konform. Selbst die Lösungsvorschläge der dunklen Aufklärer wirken plausibel. Zumindest theoretisch. Mehr Autonomie, Dezentralität, Effizienz, Prosperität – und viel weniger Staat. Klingt attraktiv. Vor allem im Vergleich mit dem kollektivistischen Wohlfahrtspaternalismus der vergangenen Dekaden.

 

Die Rattenfänger aus dem Silicon Valley erzählen dem enttäuschten und von Politik angewiderten Demos, was er hören will. Im Bereich Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP) nennt man das die Echo-Technik. Sie sorgt dafür, dass sich das Gegenüber wahr- und ernstgenommen fühlt. Dass es sich öffnet. Das funktioniert erstaunlich gut. Bis man sich anschaut, woher das Geld kommt und wohin die Daten fließen. Bis man erkennt, dass solch ein System, die Algokratie, für deutlich mehr Zentralisierung steht – für mehr Staat, für Datenzentren von Tech-Despoten und interoperable Blockchain-Plattformen von Finanzkartellen. Für einen digitalen Gulag und Gewalt gegen Andersdenkende. Für die Abschaffung universeller Menschenrechte.

 

Sicher. Man weiß nicht, ob die »Dunkle Aufklärung«, ob Akzelerationismus und ein Netzwerk-Staat mit CEO – oder »Diktator« – nicht vielleicht besser funktionieren als Demokratie. Manch einer denkt, man könne es ja mal versuchen. Das wollte auch der Anarcho-Kapitalist Jeff Berwick, alias The Dollar Vigilante. Im März 2025 reiste er nach Honduras, um sich Próspera anzuschauen und anschließend für das Freedom-City-Projekt zu werben. Doch ein paar Tage vor der mit der Stadtverwaltung abgestimmten Visite und Führung erhielt er eine E-Mail vom Rechtsanwalt des Unternehmens, der ihm zu seiner Überraschung mitteilte, er dürfe nun doch nicht anreisen – und hätte ab sofort generelles Zutrittsverbot für das Gelände der »Sonderentwicklungszone«. Wahrscheinlich fand die Presseabteilung von Próspera bei der vorbereitenden Überprüfung seiner Person heraus, dass Jeff Berwick von Technokratie, Zionismus, Krieg, Trump, Vance und auch der PayPal-Mafia nicht allzu viel hält. Er bezeichnet sich nämlich als »Verschwörungsrealist« – und war auf der Suche nach Freiheit. Die ist aber offenbar auch in Próspera Mangelware.








Bild: rp



von Tom-Oliver Regenauer 4. Mai 2025
Derrick Broze ist Autor, Journalist, Aktivist, Dokumentarfilmer und Event-Organisator. Seit acht Jahren kommt er ohne klassisches Bankkonto aus. Denn er lebt die Revolution, über die andere nur sprechen. Mit Tom-Oliver Regenauer diskutiert er seine aktuellen Recherchen, den technokratisch gefärbten Status quo und Lösungsansätze.
von Tom-Oliver Regenauer 20. April 2025
Im ersten Gespräch der jüngeren Vergangenheit mit Vertretern der Technocracy Inc. analysiert Tom-Oliver Regenauer die Kernziele eines knapp 100 Jahre alten Konzepts, das uns heute, in Zeiten »künstlicher Intelligenz«, als elementarer Baustein supranationaler Machtergreifung begegnet. Folgend die transkribierte Übersetzung des zweiten Gesprächs, das am 12. Februar 2023 aufgezeichnet, bislang aber nicht veröffentlicht wurde.
von Tom-Oliver Regenauer 6. April 2025
Greg Reese spricht mit Tom-Oliver Regenauer über seinen bewegten Werdegang, seine Zeit bei Infowars, Alex Jones’ wundersame Transformation zum MAGA-Sprachrohr, postmoderne Nutzmenschhaltung und eine ungewisse Zukunft, die seinen Recherchen zufolge nicht mit einem Dritten Weltkrieg, sondern der sprunghaften Veränderung des Erdmagnetfelds aufwarten könnte.
von Tom-Oliver Regenauer 30. März 2025
Im ersten Gespräch der jüngeren Vergangenheit mit Vertretern der Technocracy Inc. analysiert Tom-Oliver Regenauer die Kernziele eines knapp 100 Jahre alten Konzepts, das uns heute, in Zeiten »künstlicher Intelligenz«, als elementarer Baustein supranationaler Machtergreifung begegnet - lesen Sie hier die transkribierte Übersetzung dieses Gesprächs.
von Tom-Oliver Regenauer 23. März 2025
Es ist Zeit, nein zu sagen. Nein zu Sondervermögen. Nein zu Aufrüstung. Nein zu Massenvernichtungswaffen. Und nein zu Konflikten, die stets von jenen angezettelt werden, die darin nicht sterben werden. Nein zu Krieg! Mein erster Beitrag für die Anfang März 2025 gestartete »Friedenstaube«.