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Der Pyramide Paroli bieten
Derrick Broze ist Autor, Journalist, Aktivist, Dokumentarfilmer und Event-Organisator. Seit acht Jahren kommt er ohne klassisches Bankkonto aus. Denn er lebt die Revolution, über die andere nur sprechen. Mit Tom-Oliver Regenauer diskutiert er seine aktuellen Recherchen, den technokratisch gefärbten Status quo und Lösungsansätze.
Transkribierte Übersetzung meines Mitte April aufgezeichneten
Gesprächs mit Derrick Broze.
Tom-Oliver Regenauer | 01.05.2025
Einleitung
Derrick Broze ist ein Energiebündel. Er ist Autor, Journalist, Aktivist, Dokumentarfilmer und Event-Organisator. Es dürfte dieser Tage kaum jemanden geben, der mehr zu Wege bringt als der aus den USA stammende und seit ein paar Jahren in Mexiko wohnhafte 40-jährige.
Er bewarb sich zwei Mal um das Bürgermeisteramt von Houston, Texas, ist Mitgründer der Freedom Cells, Ausrichter einer jährlich stattfindenden, international expandierenden Konferenz, die sich ausschließlich mit Lösungsansätzen für die Probleme unserer Zeit beschäftigt und schreibt neben Büchern regelmäßig investigative Artikel für eine der meistbesuchten unabhängigen Nachrichtenseiten der Vereinigten Staaten. Darüber hinaus ist Broze die Triebfeder der Independent Media Alliance (IMA), die mit James Corbett, Whitney Webb, Iain Davis, Richard Grove oder Ryan Cristian wohl einige der besten – und wirklich unabhängigen – Journalisten unserer Zeit unter einem Dach zusammenführt.
Broze lebt die Revolution, von der die neuen Medien gerne sprechen. Er hat Land erworben, um eine voluntaristische Siedlung zu gründen, züchtet Nahrungsmittel und wirtschaftet abseits gängiger Transaktionssysteme – mit einem Peer-2-Peer-Netzwerk. Seit über acht Jahren hat er kein klassisches Bankkonto mehr.
Dass es kein Leichtes ist, aus dem Korsett des herrschenden Systems auszubrechen, gibt Broze unumwunden zu. Alternativen zu diesem teils durchaus steinigen Weg sieht er aber nicht, wenn man als Freiheitskämpfer auch den Anspruch an sich selbst hat, authentisch zu sein.
Mit Tom-Oliver Regenauer spricht Derrick Broze über seine aktuelle Recherchen zum technokratisch gefärbten Status quo, seine persönlichen Erfahrungen mit dem korrupten US-Politbetrieb, ergebnisorientierten Aktivismus und Lösungsansätze für die drängendsten Probleme unserer Zeit.
Broze ist jemand, der mit gutem Beispiel vorangeht – und zwar dorthin, wo Menschen selbst entscheiden, wie sie die Zukunft gestalten.
Gespräch
Tom: Meine Damen und Herren, herzlich willkommen zum heutigen Gespräch und einer neuen Folge von Manova International. Ich heiße Tom-Oliver Regenauer. Wir zeichnen dieses Gespräch am 11. April 2025 auf – und mein heutiger Gast ist einer der aktivsten Journalisten, Autoren, Event-Organisatoren und Freiheitskämpfer unserer Zeit. Jemand, der die Revolution, von der alternative Medien gerne sprechen, tatsächlich lebt. Willkommen – Derrick Broze.
Derrick: Hey. Danke für die Einladung, Tom. Freut mich, hier zu sein.
Tom: Ich weiß zu schätzen, dass du dir die Zeit nimmst. Denn mir ist bewusst, dass du einen sehr vollen Terminkalender hast. Anstatt eingangs zu erklären, was du alles machst, wofür ich in Anbetracht all deiner Projekte mindestens zehn Minuten benötigen würde, möchte ich dich bitten, das einfach selbst zu tun und dich den Zuschauern, die dich noch nicht kennen, kurz vorzustellen. Wie bist du zu Aktivismus und Journalismus gekommen – und an was arbeitest du derzeit? Wo können die Zuschauer deine Arbeit finden?
Derrick: Ja, danke. Ich bin jetzt 40 Jahre alt und mache diese Arbeit seit etwa 15, fast 16 Jahren. Ursprünglich komme ich aus Houston, Texas. Um 2009/2010 begann ich, zu hinterfragen, was auf der Welt passiert – was mich wiederum dazu brachte, mich verstärkt lokal zu engagieren. Als ich anfing, Regierung, Politik, Korruption und dergleichen zu hinterfragen und mich mit sogenannten Verschwörungen auseinanderzusetzen, interessierte mich vor allem, wie ich auf lokaler Ebene etwas dagegen unternehmen kann. Deshalb gründete ich zunächst eine Aktivistengemeinschaft namens »Houston Free Thinkers«, die etwa acht Jahre lang aktiv war. Wir haben alles gemacht. Von monatlichen Treffen, Diskussionen, Dokumentarfilmvorführungen und Veranstaltungen bis hin zu Protesten und Kundgebungen. Außerdem waren wir damals in die FED-Bewegung involviert. Das war ungefähr zu der Zeit, als die Occupy Wall Street Bewegung entstand. Wir waren zwar nicht direkt mit dieser Gruppe verbunden, haben aber auf vielfältige Weise mit ihr zusammengearbeitet. Wir waren überall. Auf Protesten, Kundgebungen, Märschen, bei Dokumentarfilmvorführungen, dem Bau von Gemeinschaftsgärten oder der urbanen Landwirtschaft. Ich habe mich dabei wirklich auf Lösungen konzentriert. Und darauf, wie Menschen vor Ort sich selbst helfen können, anstatt sich nur über Probleme zu beschweren. Dabei wurde mir klar, dass die lokalen Medien – und Medien im Allgemeinen – keine gute Arbeit leisten und ich das wahrscheinlich besser machen könnte. Richtig los ging das mit einer Veranstaltung der »Houston Free Thinkers«, nämlich einer von uns veranstalteten Spendenaktion. Wir hatten viele Bands und lokale Händler dabei. Es war wirklich eine tolle Veranstaltung. Aber irgendwann beschwerte sich jemand über den Lärm. Und schließlich rückte die Polizei von Houston mit zehn Fahrzeugen an. Die fuhren auf das Grundstück, griffen mich und zerrten mich hinaus. Eine Menschenmenge versammelte sich. Einer der Polizisten holte daraufhin sein Gewehr, lud durch und zielte auf die Menge. Mich verhaftete man, weil ich der »rechtmäßigen Anordnung« eines Polizisten nicht Folge geleistet hatte. Aber wir filmten die ganze Sache. Und als ich am nächsten Tag aus dem Gefängnis kam, sammelten wir all das aufgenommene Bildmaterial ein.
Daraus produzierten wir ein Video und verschickten es mitsamt einer Pressemitteilung in der ganzen Stadt. Innerhalb weniger Stunden standen alle Nachrichtensender vor meinem Haus und interviewten mich. Ich war zu Gast bei Alex Jones auf Infowars und die Sache wurde zu einem lokalen Thema, auf das die Polizei in Houston schließlich reagieren musste. Interessant dabei ist vor allem, dass all die Medien aufgetaucht sind und sehr freundlich zu mir waren. Sie setzten sich mit mir zusammen und ließen mich meine Geschichte erzählen. Aber als sie am Abend und in den darauffolgenden Tagen ihre entsprechenden Artikel und Videobeiträge veröffentlichten, hieß es darin, eine »lokale Gruppe von Verschwörungstheoretikern« habe die Polizei von Houston umzingelt. Da wurde mir klar: Okay – so läuft das also. Ich beschloss, mir eine Kamera zuzulegen. Ich begann, lokale Pressekonferenzen der Polizei und des Bürgermeisters zu besuchen. Ich stand da mit meiner kleinen Kamera zwischen all den Journalisten der großen Fernsehsender – und bemerkte, dass ich der einzige war, der kritische Fragen stellte. All die anderen stellten gefällige Fragen, damit sie wieder eingeladen werden. Sie wollten es sich nicht mit ihrer Clique verscherzen. Genau von diesem Moment an nahm es Fahrt auf – und mein aktivistischer Bürgerjournalismus entwickelte sich zu einer ernsteren Angelegenheit. Man fragte mich für den ein oder anderen Artikel an. Und ich hatte Glück, das bis heute fortsetzen zu können.
Derzeit schreibe ich für The Last American Vagabond, wo ich wöchentlich Recherchen und Artikel veröffentliche. Zusätzlich betreibe ich meine eigene Website, theconsciousresistance.com, für die ich Podcasts, Dokumentationen und Bücher publiziere. Bei »The Conscious Resistance« recherchieren wir zu spirituellen und esoterischen Themen, betreiben aber gleichzeitig knallharten Investigativ-Journalismus. Denn das ist einfach ein wichtiger Teil meiner eigenen Entwicklung. Etwa fünf Jahre bevor ich mich für Politik und dergleichen interessierte, also 2005, hatte ich ein anderes Erweckungserlebnis. Es jährt sich diesen November zum zwanzigsten Mal. Denn im Alter von 20 wurde ich inhaftiert. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon ein paar Jahre drogenabhängig. Nach der High School und auf dem Weg ins College begann ich zu trinken und Drogen zu nehmen. Nach meiner Verhaftung saß ich ein ganzes Jahr hinter Gittern. Bis 2008 hatte ich dann insgesamt 19 Monate in texanischen Staatsgefängnissen verbracht. An so einem Ort – und die USA sind ein Land mit ausufernder Gefängnisindustrie – geht es nicht um Rehabilitation. Es geht nur darum, Leute für Verbrechen einzusperren, bei denen es meiner Meinung nach keine Opfer gibt. Auch wenn ich den Drogen, von denen ich abhängig war, keinen positiven Wert zumessen möchte, war es definitiv nicht nötig, dafür in einen Käfig gesperrt zu werden. Aber ich habe mich entschieden, diese Zeit zu nutzen, um an mir selbst zu arbeiten und herauszufinden, warum ich Drogen nahm, was die Ursache meines Drogenkonsums war. Ich führe es auf eine traumatische Kindheit zurück. Zwischen 2005 und 2008 begann ich also bereits, spirituell und persönlich aufzuwachen – bevor ich Regierung und Konzernstrukturen überhaupt jemals in Frage stellte und mich investigativer Recherche widmete. Die Erfahrung, 2008 als Schwerverbrecher entlassen zu werden, keinen Job zu finden, in manchen Nachbarschaften keine Wohnung oder kein Haus mieten zu können und damit klarkommen zu müssen, brachte mich dazu. Ich verbrachte viel Zeit in der Bibliothek und bewarb mich um Jobs. Früher oder später beschloss ich, Bücher zu lesen. Und als ich nüchtern wurde und meine Depressionen nachließen, wurde mir wieder bewusst, dass ich ein intelligenter Mensch bin, der lernen und die Welt verstehen will.
So entdeckte ich den ehemaligen Kongressabgeordneten und Präsidentschaftskandidaten Ron Paul und beschäftigte mich mit den verschiedensten Verschwörungstheorien und Büchern. All das führte mich zum Aktivismus, für den ich mich jetzt seit etwa 15 Jahren engagiere. Ich habe Dokumentarfilme produziert und einige Bücher geschrieben. Ich versuche einfach, alles zu tun, was ich kann – egal, ob es sich ums Schreiben oder Interviews wie dieses handelt – um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Aber wir werden heute ja auch über Lösungen sprechen. Über das, was wir tatsächlich gegen diese Probleme tun können.
Tom: Ja, absolut. Es ist interessant, dass die Entdeckung des eigenen Ichs immer auch dazu führt, die Welt um sich herum als das zu erkennen, was sie ist. Ich hatte eine ähnliche Erfahrung als ich in der Skateboard- und Hip-Hop-Bewegung Anfang der 90er war. Das war eine sehr wilde Zeit. Ich war zwar nicht im Gefängnis – aber kurz davor. Und sich selbst kennenzulernen, hilft irgendwie dabei, die Welt kennenzulernen. Wenn man versteht, was Unterdrückung bedeutet, wenn das System dich attackiert, offenbart es sich. Vor allem dann, wenn man für Dinge bestraft wird, die nicht strafbewehrt sein sollten. Vor allem in den USA gibt es ja eine riesige, privatisierte Gefängnisindustrie. Ich habe gerade erst einen Artikel darüber gelesen. Du hast dich aber auch einmal um das Amt als Bürgermeister beworben und versucht, in die Lokalpolitik zu gehen – was in meinen Augen der einzige Weg ist, um politisch tatsächlich noch etwas zu bewegen. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht? Wie nah bist du dem politischen System dabei gekommen? Ich habe einige deiner Videos aus dieser Zeit gesehen – aber wie war deine persönliche Erfahrung im Umgang mit dem lokalpolitischen System?
Derrick: Ja. Das war interessant. Denn ich betrachte mich selbst als Voluntaristen und bin im Grunde ein friedliebender Anarchist. Daher sehe ich Politik nicht wirklich als Lösung. Aber ich stimme dir zu: Wenn Menschen Politik machen wollen, ist die lokale Ebene, so lokal wie möglich, der einzig gangbare Weg. Besonders in den USA, wo ich ursprünglich herkomme. Ich denke, Wahlen auf Landes- und Bundesebene werden fast immer manipuliert. Und selbst auf lokaler Ebene, in einer Stadt wie Houston, die drei Millionen Einwohner hat und deren Großraum über sieben Millionen Menschen umfasst, ist es ziemlich schwer, gegen die Korruption anzukommen. Aber ich engagiere mich schon seit Jahren als Aktivist. Seit 2012 nehme ich an den Sitzungen des Stadtrats von Houston teil und spreche dort über Themen wie die Fluoridierung des Trinkwassers oder Polizeigewalt. Ich nutze das als Plattform, um mich auszudrücken. Man sagt uns ja immer, dass man sich an die Regierung wenden soll, wenn man ein Problem hat – dass man einfach mit den Regierenden sprechen soll. Dass die Bedenken dann wahrgenommen und Probleme gelöst werden. Aber so funktioniert das nicht. Denn ich habe rasch gemerkt, dass diese Leute nicht wirklich zuhören. Wenn man zum Stadtrat geht, der aus etwa 15 Mitgliedern besteht, und an einer öffentlichen Sitzung teilnimmt, beschäftigt sich die Hälfte dieser Leute mit ihrem Telefon. Die hören nicht einmal zu. Viele verlassen den Raum. Der Bürgermeister ist mal da, mal nicht. Es ist den Aufwand also nicht wirklich wert. Ich habe aber gesehen, dass eine Kamera an der Decke hängt und all die Sitzungen aufgezeichnet werden. Deshalb habe ich mir vorgenommen, zumindest protokollieren zu lassen, dass ich diese Leute über die verschiedenen Themen, die mir wichtig sind, informiert habe. Darüber hinaus habe ich die Videos von der Webseite der Stadt kopiert und dann bei YouTube hochgeladen, wo sie von deutlich mehr Menschen angeschaut werden.
Das entwickelte sich zu einer Möglichkeit, mehr Leute für die Themen zu werben und Aktivisten zu rekrutieren. Denn viele sahen meine Videos und wollten sich dann selbst engagieren. So habe ich das jahrelang gemacht. Bis 2019. Denn 2019 – und auch 2023 – habe ich dann selbst für das Bürgermeisteramt kandidiert. Der Bürgermeister, der damals im Amt war, ist Anfang 2025 verstorben – vielleicht aufgrund seiner zahlreichen Covid-Impfungen. Ich hatte ihn damals bei diversen Anlässen in der ganzen Stadt zu verschiedenen Themen zur Rede gestellt. Vor allem bezüglich 5G. Denn 2018 drehte ich einen Dokumentarfilm namens »5G Trojan Horse«, der sich auf Houston konzentrierte, weil Houston die erste Stadt in den USA war, in der 5G eingeführt wurde. Houston arbeitete diesbezüglich mit Hans Vestberg zusammen, dem Chef von Verizon, der extra aus Schweden für eine große Pressekonferenz angereist war, um zu verkünden, dass sein Unternehmen das erste 5G-Netz Amerikas in Houston installieren werde. Und alle machten eine große Sache daraus. Ich ging zu dieser Pressekonferenz und stellte eine Frage zu Studien über die Belastung durch elektromagnetische Felder. Sie ignorierten mich einfach, schenkten mir keine Beachtung. So machte ich es mir zur Gewohnheit, bei allen möglichen Veranstaltungen in Houston aufzutauchen, dem Bürgermeister Kamera und Mikrofon vor die Nase zu halten und ihn zur Rede zu stellen. Irgendwann fing er an, mich als den 5G-Typen zu bezeichnen und lachte nur noch. Er lachte mir ins Gesicht und ging einfach weg. Daraufhin ging ich zum Stadtrat, brachte Studien und Daten mit. Und wieder wurde ich einfach ignoriert. Eines der Videos, die ich zum Thema 5G produzierte, erreichte eine Million Zuschauer auf YouTube. Das war cool. Aber lokalpolitisch änderte es nichts.
Es blieb alles beim Alten. Online interessierten sich viele Menschen für das Thema – aber diejenigen, die wirklich etwas dagegen hätten tun können, behandelten mich als wäre ich verrückt. Als ich dann eines Tages mit ein paar Freunden zusammensaß und über den Bürgermeister sprach, machten wir uns über die Situation lustig. Dabei kam ich auf die Idee, selbst für das Bürgermeisteramt zu kandidieren. Denn dann kann er mir nicht mehr einfach davonlaufen. Niemand antwortet mir. Auf meine E-Mails reagiert auch niemand. Ich kann diesen Leuten hinterherlaufen so viel ich will – durch die ganze Stadt – und werde nichts erreichen. Aber wenn ich selbst kandidiere, könnte ich während der Debatten tatsächlich mit ihm auf der Bühne stehen. Dann kann er nicht einfach aufstehen und gehen. So könnte ich ihn zur Rede stellen. Das war der ursprüngliche Gedanke. Nachdem ich mit einigen Freunden darüber gesprochen hatte, drängten sie mich, diese Idee ernsthaft in Betracht zu ziehen. Denn ich hatte neben dem Zulauf im Internet eine veritable Unterstützerbasis in Houston – eben, weil ich dort schon so lange aktiv und oft in den Lokalnachrichten war.
Wir trafen uns und überlegten, ob ich das wirklich in Betracht ziehen sollte. Und weil viele mich ermutigten, diesen Schritt zu gehen und für das Bürgermeisteramt zu kandidieren, führte ich schließlich einen sehr ernsthaften Wahlkampf. Selbst als Anarchist und jemand, der Politik nicht für die Lösung hält, wollte ich daraus keinen bloßen Scherz machen, sondern ernst genommen werden. Also überlegte ich, wie ich das Thema aus Perspektive meiner libertären, voluntaristischen Position angehen kann. Sprich: Ich wollte Antworten auf drängende Fragen finden, ohne dabei den Staatsapparat weiter auszubauen. Ich wollte sicher sein, dass ich Fragen zur Verschuldung der Stadt oder zum Überschwemmungsproblem fundiert beantworten kann. Ich konnte ja nicht einfach hinstehen und sagen, dass man auf den Staat scheißen sollte. Ich brauchte einen konkreten, greifbaren Plan. Ich habe mir also viele Gedanken gemacht. Dann haben wir eine Website gestartet. Wir lancierten eine umfassende Kampagne mit verschiedenen Themen und allem Drum und Dran. Ich war in allen lokalen Medien vertreten. In Zeitungen, im Radio, im Fernsehen, et cetera. Interessant war dabei, dass der »lokale Verschwörungstheoretiker« Derrick Broze nicht an die gleichen Orte eingeladen wird wie der für das Bürgermeisteramt kandidierende Derrick Broze. Es ist albern – aber in meinen Augen auch ein Zeichen dafür, wie Menschen indoktriniert werden. Wenn ich auf zum Beispiel auf jemanden traf, der mich nicht kannte, und ihm dann jemand sagte, ich sei Kandidat für das Bürgermeisteramt, wollte er plötzlich ein Selfie mit mir machen. Als wäre ich jemand Wichtiges. Das gehört wohl zum Politbetrieb. Dass ich mich bewarb, die Gebühr bezahlte und das Spiel der Stadt mitspielte, öffnete mir aber eine Menge Türen. Plötzlich konnte ich mit demokratischen und republikanischen Gruppen, in weißen und schwarzen Vierteln, in armen und reichen Vierteln sprechen.
Ich erhielt Einladungen von Schulen, Seniorenheimen und allen lokalen TV-Sendern. Selbst bei der Morgensendung um 5:00 Uhr bin ich aufgetreten. Alles Orte, von denen ich noch nie eingeladen wurde. Ich nutzte diese Möglichkeit einfach, um über die Themen zu sprechen, die mir am Herzen lagen. Wir haben den Wahlkampf 2019 bis zum Ende durchgezogen, sodass ich am Ende circa ein Prozent der Wählerstimmen erhielt. Nicht schlecht für eine rein basisdemokratische Kampagne, die mit weniger als 20.000 Dollar finanziert wurde und ganz ohne Unterstützung des Establishments auskam. Was mir jedoch bewusst wurde – auch in Bezug auf das, was ich vorhin über Korruption gesagt habe – war, dass die nationalen Parteistrukturen, die von den Führungsgremien der Demokraten und Republikaner kontrolliert werden, zumindest anteilig auch die Geldflüsse auf Landesebene und in der Lokalpolitik steuern. Land und Kommune werden vielleicht nicht vollständig von denen finanziert, erhalten aber Zuwendungen. Ist man also ein Kandidat, der nicht formgenau in das Links-Rechts-Paradigma passt oder Themen anspricht, über die sie nicht reden wollen, werden die alles tun, um einen davon abzuhalten, zu Wort zu kommen. So wurde ich zwar zu vielen Debatten eingeladen, bei denen ich auf der Bühne sitzen und den amtierenden Bürgermeister bezüglich seiner Verfehlungen zur Rede stellen konnte, es gab aber auch mindestens eine Handvoll von Veranstaltungen, zu denen ich nicht eingeladen wurde. Alle anderen Kandidaten wurden eingeladen. Ich nicht. Kurz vor der Wahl fand eine letzte Debatte statt, die im Fernsehen übertragen wurde. Auch daran durfte ich nicht teilnehmen. Die haben sogar die Regeln geändert, damit ich nicht teilnehmen kann. Das ist der der gleiche Unsinn, der auf nationaler Ebene stattfindet. Erst haben sie gesagt, man müsse einen bestimmten Geldbetrag aufbringen.
Das haben wir getan. Dann aber hieß es, dieser Betrag müsse von mindestens 100 verschiedenen Spendern stammen. Und dieses Kriterium haben wir nicht erfüllt. Also war ich plötzlich nicht mehr eingeladen. Wegen solch einer Lappalie. Trotzdem erlaubte mir der Wahlkampf, den Menschen, die ihn verfolgten, vor Augen zu führen, wie ich behandelt wurde. Damit sie sehen, wie mit Außenseitern umgegangen wird. Wir haben das Ganze bis zum Ende durchgezogen, um den Menschen vor Ort zu zeigen, wie Korruption auf lokaler Ebene funktioniert. Es war eine wirklich positive Erfahrung. Ich bin überzeugt, dabei viel für meine aktivistische Arbeit gelernt zu haben. Und ich bin ein besserer Anarchist geworden, weil ich mich damit beschäftigt habe, wie man »Normalos«, die sich fragen, wer in der Anarchie ihren Müll abholt, so ein Konzept vermitteln kann. Diese Menschen fragen sich, wer für bessere Schulen sorgt. Das sind vielleicht nicht meine Schwerpunktthemen – aber ich überlege, wie ich diese Leute erreichen kann. Wie spreche ich mit denen? Wie kann ich ihnen meine Konzepte vermitteln und dafür sorgen, dass sie sich für die in meinen Augen wichtigeren Themen interessieren? 2023 habe ich erneut kandidiert. Aber dieses Mal wurde meine Kandidatur verkürzt, weil sich – das ist meine Theorie – deutlich mehr Unterstützer fanden. Meine Arbeit hatte Kreise gezogen. Schon 2019 warnte ich vor Impfpflichten. Das war sechs Monate vor dem Ausbruch von Covid. Und damals meinten sogar meine eigenen Unterstützer, dass man dieses Thema vielleicht nicht unbedingt ansprechen müsse. Aber ich hielt es für außerordentlich wichtig. Also trat ich 2023 mit dem Versprechen an, als Bürgermeister eine Verordnung zu verabschieden, die besagt, dass die Stadt Houston niemals Impfpflichten erlassen kann. Denn 2019 gab es ähnliche Diskussionen wie heute bezüglich Masern. Ich war also in vielerlei Hinsicht der Zeit voraus. Das gilt auch für die Fluorid-Diskussion, die heute ein nationales und internationales Thema ist.
Als ich 2023 kandidierte, starteten wir deutlich gestärkt. Ich traf mich erneut mit meinen Mitstreitern und fragte sie, ob wir es noch einmal versuchen wollen – ich würde alles dafür geben, bräuchte aber ihre Unterstützung. Sie entgegneten einstimmig, ich solle loslegen. Weitere Unterstützung kam von der Harris County Libertarian Party – obwohl die Wahlen offiziell überparteilich sind. Man muss sich also keiner Partei anschließen, um teilzunehmen. Deshalb habe ich es getan. Ich hätte es nicht getan, wenn ich irgendeine Partei hätte unterstützen müssen. Trotzdem ist natürlich klar, welche davon links und welche rechts steht. Harris County, der Bezirk, in dem Houston liegt, ist der zweitgrößte Bezirk des Landes. Diese Partei hat mich von Beginn an unterstützt. Das hat Schlagzeilen gemacht. Ich bekam Unterstützung aus Bereichen, die ich vorher nicht kannte. Deswegen war ich auch schneller in den Nachrichten als andere. Als es dann an der Zeit war, die Bewerbung offiziell einzureichen, habe ich das gleich am ersten Tag getan. Und wir haben wieder Schlagzeilen gemacht.
Doch innerhalb weniger Wochen disqualifizierte mich derselbe Bürgermeister, der gerade seine letzte Amtszeit hinter sich hatte und kurz vor dem Aus stand. Wohl eine Möglichkeit für ihn, mich vor seinem Abgang noch zu ärgern. Er und sein Anwalt disqualifizierten mich unter dem Vorwand, dass ich vor 20 Jahren ein »Verbrechen« begangen hatte – von dem 2019 aber nie die Rede war. Plötzlich behaupteten sie, das sei ein Problem und ich dürfe aus rechtlichen Gründen nicht antreten. Das wars. Im August 2023 haben mein Team und ich dann den Kurs geändert und uns auf die Frage konzentriert, wie wir die entstandene Öffentlichkeit weiterhin nutzen können, um zumindest sicherzustellen, dass die Themen, die uns wichtig sind, Thema bei den Wahlen sind. Das habe ich gemacht. Außerdem konnten wir noch ein paar andere positive Akzente setzen. So wurde auf unser Wirken hin eine Maßnahme verabschiedet, die die Macht des Bürgermeisteramtes tatsächlich einschränkt. Die Stadt Houston hat nämlich das stärkste Bürgermeisteramt in den gesamten USA. Zumindest war das so. Und ich habe schon im Wahlkampf 2019 gesagt, dass ich die Macht das Bürgermeisteramtes reduzieren und dem Stadtrat gleichstellen will, wenn ich gewählt werde. Diese Idee setzte sich durch – und prompt fand sich 2023 ein Vorschlag namens »Proposition A« auf dem Wahlzettel. Im Wesentlichen würde dieser dafür sorgen, dass der Bürgermeister nicht die einzige Person ist, die Themen auf die Tagesordnung setzen kann und der Stadtrat Einfluss hat, wo er vorher praktisch zahnlos war. Nachdem ich disqualifiziert worden war, haben wir unsere Fokus verlagert und dazu beigetragen, diese Maßnahme durchzusetzen. Und sie wurde verabschiedet.
Ich habe sogar Klage gegen die Stadt Houston eingereicht, die nun seit eineinhalb Jahren läuft. Letzte Woche habe ich aber von meinem Anwalt erfahren, dass die Sache so gut wie aussichtslos ist. Wir haben sie bis vor den Obersten Gerichtshof von Texas gebracht. Aber Texas geht mit ehemaligen »Straftätern« nicht gerade freundlich um. Obwohl meine Vergehen 20 Jahre zurückliegen und nichts mit Gewalt, Waffen oder Körperverletzung zu tun haben, teilten sie mir mit, ich dürfe deswegen nicht antreten. Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber aus diesen Erfahrungen habe ich definitiv viel gelernt.
Tom: Das ist ein fantastischer Weg, um sich mit Lokalpolitik auseinanderzusetzen. Und sei es nur, um jetzt über diese Erfahrung sprechen und das korrupte System dadurch bloßstellen zu können. Deine vorhin erwähnte 5G-Dokumentation ist übrigens großartig. Deswegen vielleicht noch kurz eine Frage dazu, bevor wir auf einen deiner Artikel zu sprechen kommen. Denn selbst in den neuen Medien gibt es meinen Beobachtungen zufolge viele Smartphone-Süchtige. Ich habe schon in diversen Gesprächen erwähnt, dass wir diese hier gerne als Smombies bezeichnen. Eine Fusion aus Smartphone und Zombie – weil viele sich benehmen, als seien sie hirnlos. Anstatt Auto zu fahren, sich die Stadt anzuschauen oder Zeit mit ihren Hunden zu verbringen, glotzen sie aufs Smartphone und nehmen die Welt um sie herum gar nicht mehr wahr. Es geht also nicht nur um 5G und EMF, sondern auch die signifikante Verhaltensänderung, die wir beobachten können. Es geht gar nicht mehr allein um Meinungsfreiheit, sondern – wie Jack Dorsey es formulierte – um freien Willen. Das halte ich für einen extrem wichtigen Punkt. Selbst in den freien Medien scheinen viele Menschen diesen eingebüßt zu haben, weil sie von sozialen Medien und der schieren Flut an Information, die sie nicht priorisieren können, überwältigt und manipuliert werden. Wie ist dahingehend deine persönliche Erfahrung – auch bezüglich der unabhängigen Medien, Freunden und der Gesellschaft im Allgemeinen?
Derrick: Ja, ich glaube definitiv nicht, dass die Verschwörungsrealisten immun gegen die Übergriffigkeit von Smartphones sind. Aus diesen Gründen besitze ich selbst kein Handy. Das ist so eine Art Hassliebe, die ich seit deren Markeinführung hege und pflege. Ich hatte jahrelang keines. Irgendwann verlangte aber einer meiner Kollegen aufgrund meiner journalistischen Tätigkeit von mir, dass ich mir eines zulege, damit ich Live-Streaming nutzen und schneller kommunizieren kann. Ich verbringe für meine Recherchen sowieso schon sehr viel Zeit am Computer. Das versuche ich auszugleichen, indem ich tagsüber spazieren oder Rad fahren gehe und kein Gerät dabei habe. Auch meinen Laptop trage ich nicht mit mir herum. Wenn ich mit meiner Partnerin spazieren gehe, hat auch sie ihr Handy nicht dabei. Wir versuchen, präsent zu sein. Mein Dokumentarfilm konzentrierte sich ja auf Dauerüberwachung, auf gesundheitliche sowie ökologische Aspekte, et cetera. Und das ist ein großes Thema.
Du weist aber auf ein weiteres großes Problem hin. Und zwar auf die Art und Weise, wie wir vom digitalen Raum vereinnahmt werden. Ich habe in letzter Zeit darüber nachgedacht. Vielleicht ist dir der Begriff »Perpetually Online« schon begegnet – ich sehe ihn zunehmend in den USA, wo von Menschen gesprochen wird, die permanent online sind. Denn das wird für viele zur neuen Norm. Ich glaube jetzt nicht, dass das jeden betrifft, denn es gibt definitiv Leute, die tagsüber einfach arbeiten und nichts mit dem Computer zu tun haben. Die schauen vielleicht abends oder am Wochenende mal rein. Aber viele von uns arbeiten mit dem Internet. Insbesondere im Bereich Recherche, weil man auch in den sozialen Medien aktiv ist. Ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn man da kein Gleichgewicht findet und nicht wirklich versucht, die Kontrolle zu behalten. Und ich bin überzeugt, dass mir meine Suchterfahrung dabei hilft. Denn das ist nur eine andere Form der Sucht. Es ist Abhängigkeit von Technologie. Social-Media-Sucht. Neulich erzählte mir jemand, dass er manchmal das Gefühl hat, sogar den Gang zur Toilette bis zur letzten Minute hinauszuzögern, weil er so ins Tippen und Recherchieren vertieft ist. Er müsse sich förmlich zwingen, um aufzustehen und was zu essen. Um dies oder jenes zu tun. Einige dieser von Technologie induzierten Verhaltensweisen sind absolut identisch mit den Effekten aller anderen Süchte. Ob Kaffee, Drogen, Alkohol oder sonst was – bei allem stellt man das persönliche Wohlbefinden zurück, um online zu sein, eine Pille oder irgendetwas anderes zu nehmen. Es sind die gleichen Eigenschaften. Die gleichen Charakteristika. Es liegt also wirklich an jedem von uns, diese persönliche Verantwortung anzunehmen. Besonders, wenn man Kinder hat. Klar, es ist einfach, den Kids das Tablet oder das Handy zu geben, damit man seine Ruhe hat. Ich verstehe das. Ich habe sechs Nichten und Neffen. Aber es gibt wirklich viele gute Bücher, die nicht nur die Auswirkungen dieser Sucht, sondern auch die Effekte des blauen Lichts auf die Entwicklung des Gehirns, die Schlafqualität und all die anderen Aspekte beschreiben. Ich denke, das wird nicht ausreichend diskutiert.
Tom: Ja, das wird selten besprochen, obwohl es fast jeden betrifft. Ich nutze tagsüber meist mein Nokia 8210. So kann mich meine Mum erreichen, wenn ich das Haus verlasse. Falls etwas passiert. Man muss wirklich Disziplin an den Tag legen und das unter Kontrolle haben. Das hast du sehr treffend beschrieben. Das Thema Wohlbefinden bringt mich zum Staat – der regelmäßig dafür sorgt, dass Menschen sich nicht mehr wohlfühlen. Du hast unlängst einen großartigen Artikel verfasst. Und während meine Leser und Zuschauer ganz sicher gut über Peter Thiel, Palantir, Prospéra, Elon Musk oder Technokratie informiert sind, weil ich viel darüber geschrieben habe, könnte ihnen der Name Curtis Yarvin neu sein. Denn über den habe ich bisher noch nichts veröffentlicht. Aber er hat offensichtlich großen Einfluss auf Peter Thiel – und damit mutmaßlich auch auf JD Vance und die gesamte US-Regierung. Ich habe deinen Artikel bereits vor ein paar Wochen gelesen. Vielleicht könntest du kurz darlegen, welchen Einfluss Curtis Yarvin auf das Wohlbefinden der US-Bevölkerung hat. Seine Konzepte haben ja nichts damit zu tun, was die Bewohner Amerikas unter einer konstitutionellen Republik oder Demokratie verstehen.
Derrick: Mit Peter Thiel oder Elon Musk hast du ja bereits ein paar der wichtigsten Akteure angesprochen. Sie alle spielen in der Regierung Trump eine maßgebliche Rolle. Auch ich berichte schon seit einiger Zeit über sie. Mit dem genannten Artikel wollte ich jedoch untersuchen, wer diese Leute beeinflusst hat. Denn wir alle schnappen auf unserem Weg neue Ideen auf. Und ich denke, wenn man die Inspirationen und philosophischen Einflüsse einer Person versteht, lernt man sehr viel über deren Ziele und Ideale. Curtis Yarvin ist dahingehend definitiv einer der wichtigsten Einflüsse. Es gibt sicher noch andere rund um die PayPal-Mafia und deren Netzwerk. Aber Curtis Yarvin ist einer der Namen, der immer wieder auftaucht und tatsächlich immer wichtiger zu werden scheint. Berichten zufolge war er auf einigen der Partys nach Trumps Amtseinführung. Er ist also präsent. Und er scheint ein wichtiger Impulsgeber für Musks Generation zu sein, die sich nun in der Regierung betätigt.
Im Grunde war er die letzten 20 Jahre einfach nur ein stiller, nerdiger Typ im Hintergrund. Er hatte einen Blog namens »Unqualified Reservations«, den er, glaube ich, 2006 startete und auf dem er mehrere Jahre lang veröffentlichte. Und ehrlich gesagt, hat ihn die meiste Zeit niemand beachtet. Er war einfach in seiner Ecke des Internets und hat sein Ding gemacht. Yarvin spricht immer wieder über »Neoreaktionäre«. Zusammen mit einem anderen Herrn namens Nick Land prägte er den Begriff »Dunkle Aufklärung«. Damit schufen die beiden ein Konzept, das Peter Thiel und andere aufgegriffen haben, die der Meinung sind, dass die Demokratie gescheitert sei. Und ich muss sagen, auch ich habe definitiv Probleme mit der Demokratie. Diese Bedenken kann ich also nachvollziehen. Die Lösung von Yarvin, Land und Co. besteht jedoch nicht darin, dem Volk mehr Macht zu geben. Deren Lösung lautet: Wir brauchen eine Monarchie. Wir brauchen einen CEO. Einen König, der diese traditionellen Regierungsstrukturen ersetzt. Und ich denke, dass das, worüber diese Leute sprechen, perfekt zu dem passt, was die Technokraten wollen.
Die Technokratiebewegung zielte darauf ab, einen Technokraten-König an der Spitze zu haben. Eine Art Berater, der das Technate und die Maschinen steuert. Ich denke, genau das propagieren Nick Land und Curtis Yarvin. Nur vielleicht in etwas modernerer Form. Und wie gesagt, anfangs hat ihnen niemand Beachtung geschenkt. Doch genau zu der Zeit, als Trump zum ersten Mal als Präsidentschaftskandidat antrat, machte die Alt-Right-Bewegung von sich reden – die in Wirklichkeit die Curtis-Yarvin-Bewegung war. Selbst wenn man sich ältere Artikel aus den Jahren 2015 und 2016 ansieht, wird immer wieder der Begriff »Neoreaktionäre« verwendet. Und zwar genau von diesen Leuten. Du hast auch JD Vance erwähnt. Der ist jetzt Vizepräsident – was natürlich nur durch Peter Thiels Finanzierung möglich war. Aber schon als Senator hat JD Vance die Konzepte von Curtis Yarvin öffentlich gewürdigt und gesagt, dass Yarvins Texte dabei geholfen haben, ihn »aufzuwecken« – obwohl Yarvins Konzepte nicht nur extrem undemokratisch, sondern auch verfassungswidrig und freiheitsfeindlich sind. Sie drehen sich um die Idee – und da ist wieder die Verbindung zu den Technokraten – dass wir weder Geschäftsleute noch die politische Klasse brauchen, sondern nur einen CEO, König oder Monarchen, der den Ton angibt. Es ist wirklich interessant, dass wir darüber sprechen. Ich rufe schnell den entsprechenden Artikel auf.
In den letzten Tagen gab es in den Vereinigten Staaten ja einige Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs im Zusammenhang mit Trump. Deren Details sind im Moment irrelevant. Wichtig ist jedoch, dass der Oberste Gerichtshof erst in den letzten 24 Stunden ein Urteil gefällt hat. Spannend wird sein, ob Trump sich daran hält. In meinem Artikel zitiere ich einen Auftritt von JD Vance beim konservativen Jack Murphy Podcast vom September 2021, in dem er erwähnt, dass Curtis Yarvin ihn beeinflusst hat. Außerdem sagte er, Zitat: »Wenn ich Trump einen Rat geben dürfte, würde ich ihm sagen, dass er jeden Bürokraten auf mittlerer Leitungsebene und jeden Verwaltungsangestellten feuern und durch unsere Leute ersetzen sollte. Und wenn die Gerichte ihn aufhalten wollen, soll er sich dem Land zeigen und sagen, dass der Chef seine Entscheidung bereits getroffen hat und nun darauf besteht, diese auch durchzusetzen«. Genau in dieser Situation befinden wir uns gerade. Oder? Der Vizepräsident der Vereinigten Staaten wird von Curtis Yarvin beeinflusst, der auch Peter Thiel beeinflusst hat, der wiederum JD Vance zu seiner Position im Senat verhalf. Weiterhin belegen frühere Artikel von mir, dass Elon Musk und andere Trump aufforderten, JD Vance als Vize auszuwählen. Denn er sei »ihr Kandidat«. Da stehen wir nun. Vance ist im Weißen Haus und Trumps Stellvertreter. Und der Oberste Gerichtshof hat Trump jetzt eine Anordnung erteilt, der er nachkommen kann. Das wäre der Standard.
Das wäre gesetzmäßig – egal, ob man nun dafür oder dagegen ist. So sollte es laufen. Legal. Aber sein Stellvertreter hat im Grunde gesagt, man sollte kämpfen und genau diese Situation provozieren, damit Trump seine Macht als Monarch, CEO oder König im Sinne von Curtis Yarvins Konzepten geltend machen kann. Daher denke ich, es ist wichtig, die Wurzeln von Curtis Yarvins Denken und seine Konzepte zu verstehen. Denn jetzt ist er nicht mehr nur Teil der Blogosphäre, die ihn ignoriert – nein – jetzt wird er zu Veranstaltungen in Washington eingeladen und als eine Art »Elder Statesman« wahrgenommen. Als Berater der nächsten Generation. Man redet in Washington zwar nicht offen darüber und hält sich bedeckt, aber Yarvin ist definitiv im Hintergrund aktiv und beeinflusst diese Leute. Yarvin inspirierte JD Vance, Peter Thiel, et cetera. Und diese Leute sitzen jetzt im Weißen Haus unter Trump. Dessen sollten sich meiner Ansicht nach deutlich mehr Menschen bewusst sein.
Tom: Yarvin spricht diesbezüglich von »Gov-Corp«. Auch Iain Davis schrieb kürzlich über dieses Thema. Darüber, dass das Land künftig wie ein Unternehmen gehandhabt und von einem CEO geführt werden soll – was letztlich auf Diktatur oder Faschismus hinausläuft, wie auch immer man es nennen will. Es hat aber definitiv nichts mit Demokratie oder einer konstitutionellen Republik zu tun. Weißt du, wer aus den neuen Medien auf den Typen aufmerksam wurde? Der Name tauchte irgendwann einfach auf, ich weiß aber nicht, wer zuerst über Yarvin berichtet hat. Ich zum Beispiel hatte bis vor einer Weile keine Ahnung von dem Typen. Und dann erschienen plötzlich diverse Artikel – wie der von dir oder Iain.
Derrick: Ich habe 2016 zum ersten Mal über ihn geschrieben. Weil ich das Thema aufmerksam verfolgt habe. Zwei Dinge: Ganz kurz, um für alle, die noch nie von ihm gehört haben, deutlich zu machen, welchen Einfluss der Mann hat. Wir haben da nicht einfach irgendjemanden ausgesucht. Der Typ war bis vor einer Weile ein einfach Blogger und schaffte es nun binnen drei Monaten, von der New York Times interviewt zu werden. Man beginnt also offensichtlich, seine Gedanken ernst zu nehmen und sieht in ihm einen Einflussfaktor. Ich stieß durch meine Arbeit für die libertäre Bewegung, nicht die libertäre Partei, auf Yarvin – ich war ja nicht im politischen Libertarismus unterwegs, sondern für die philosophisch libertäre Bewegung aktiv. Aber als Trump 2015, 2016 auf der Bildfläche erschien und der Begriff Alt-Right aufkam, bemerkte ich, dass viele Libertäre, die behaupteten, an die individuelle Freiheit zu glauben, anfingen, Trump zu unterstützen. Sozusagen als Reaktion auf die Antifa und kommunistische Tendenzen. Sie fokussierten sich darauf, gegen solche Entwicklungen vorzugehen. Darüber gaben viele Menschen ihre Prinzipien auf. Sie kümmerten sich nicht mehr um individuelle Freiheit, Souveränität und Selbstbestimmung. Es ging eher darum, die Kommunisten oder die Antifa zu besiegen. Im Zuge dieser Entwicklungen fielen mir Verweise auf Curtis Yarvin auf, der unter dem Pseudonym »Mold Bug« schrieb.
Ich verfasste damals ein Essay mit dem Titel »Removing the AltRight Infection from the American Libertarian Movement«. Darin ging ich auf diese Entwicklungen ein und konstatierte, dass die Ideen von Curtis Yarvin und ähnlichen Charakteren langsam die Bewegung korrumpieren und Menschen von den philosophischen Prinzipien, die ich für sehr wertvoll halte, abbringen. Die sehnten sich plötzlich nach einem starken Mann, weil die Freiheit versagt habe. Weil man nun den Kurs ändern müsse. So wurde ich zum ersten Mal auf Curtis Yarvin und dessen Einfluss aufmerksam. In den letzten Jahren, während Covid und andere Dinge passierten, habe ich ihn dann nicht weiter verfolgt. Aber jetzt, da Thiel einen so großen Einfluss auf die Regierung Trumps hat, habe ich einen weiteren Artikel bei The Last American Vagabond veröffentlicht, der auf all die verschiedenen Personen in der Regierung eingeht, die mit Peter Thiel in Verbindung stehen, die entweder direkt mit ihm zusammengearbeitet haben, das Thiel Fellowship besuchten oder für seine Institute tätig waren. Und das sind Dutzende. Ich bin sicher, es gibt noch viele mehr, die ich ob der schieren Anzahl von Mitarbeitern in der Verwaltung noch gar nicht entdeckt habe. Aber es ist klar: Peter Thiel ist zurück. Sein Einfluss auch. Begleitet von seinem Protegé JD Vance. Und wieder wollte ich wissen, von wem diese Menschen sich inspirieren lassen. Schon tauchte Curtis Yarvin wieder auf.
Er hat aus dem Hintergrund heraus viele Menschen beeinflusst. Unter anderem Steve Bannon. Und viele andere, die maßgeblich für den Beginn der Trump- und MAGA-Bewegung verantwortlich waren. Das heißt nicht, dass der durchschnittliche Trump- oder MAGA-Anhänger an der Basis weiß, wer Curtis Yarvin ist. Das ist stereotypisch für solche Bewegungen. Die Arbeiterklasse hat keine Ahnung davon, was an der Spitze tatsächlich vor sich geht. Wer weiß, ob Trump jemals selbst etwas von Curtis Yarvin gelesen hat. Ich glaube nicht, dass er ein begeisterter Leser ist. Aber die Leute, die ihn umgeben, sind auf jeden Fall massiv von Yarvin beeinflusst und machen Druck, um seine Konzepte umzusetzen.
Tom: Ich glaube auch nicht, dass Trump die hellste Kerze auf der Torte ist. Aber die Leute um ihn herum – das merkte man auch beim Treffen mit JD Vance und Selenskyj, wo die Atmosphäre sich erst änderte, als Vance ein paar Bemerkungen darüber machte, dass Selenskyj den USA gegenüber dankbarer sein sollte. Das triggerte Trumps Ego, was dazu führte, dass er ihn schließlich rauswarf. Aber es ist interessant, wie sich die Libertären – wenn wir schon über libertäre Leute sprechen –jetzt darstellen. Und dass die Leute tatsächlich denken, dass jemand wie Thiel ein libertärer Philanthrop ist. Sie realisieren nicht, dass Dinge wie die 15-Minuten-Städte, wegen der sie sich die letzten Jahre Sorgen gemacht haben, jetzt einfach Freedom Cities heißen. Am Ende läuft es auf das gleiche Resultat hinaus: Man bekommt eine autonome Stadt wie Prospéra, wo irgendwelche Autokraten ihre eigene Gemeinschaft nach Vorbild eines Staates gründen, eigene Gesetze erlassen und über diese Strukturen einen sogenannten Netzwerk-Staat formen können.
Derrick: Dazu ganz kurz: Auch diesbezüglich gibt es ein paar interessante Überschneidungen. Das fällt mir auf, weil ich mich für die libertäre Bewegung engagierte, wo viele die Idee vertraten, dass wir uns einfach Land kaufen sollten, um dort unsere eigenen kleinen Enklaven zu bauen, in denen wir tatsächlich nach unseren Prinzipien leben können. In Bezug auf den von dir erwähnten Netzwerk-Staat sieht man nun, dass Menschen, die sich für solche Ideen begeisterten, bei Peter Thiels Prospéra landen – dem nächsten großen Ding. Genau wie die sogenannten Sonderwirtschaftszonen. Und tatsächlich hat Trump das kürzlich diskutiert. Nicht nur im Zusammenhang mit Freedom Cities, sondern auch in Bezug auf die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen innerhalb der Vereinigten Staaten.
Vermarktet wird das alles als finanzieller Segen, als großartige Strategie für die Wirtschaft. Aber es geht genau um das, was du eben gesagt hast. Darum, dass sie ihre eigenen kleinen Mini-Corporations gründen und Leute davon überzeugen wollen, dort zu leben, weil das Freiheit verheiße. In Wirklichkeit werden sie aber nur ihre eigenen Mini-Diktaturen errichten. Und ja: Diese vorsätzliche Blindheit ist einfach erstaunlich. Es ist mir absolut unverständlich – um es mal freundlich zu sagen – wie man Elon Musk und Peter Thiel, zwei Männer, die finanziell enorm von staatlichen Subventionen und Verträgen mit dem militärisch-industriellen Komplex profitierten und das genaue Gegenteil von allem Libertären sind, für libertär halten kann.
Tom: Ja. Ich habe unlängst jemanden auf Twitter – oder eben X – gesehen, der in der Vergangenheit diverse kritische Beiträge zu Thiel und Vance gepostet hat. Der Typ hat eine riesige Fangemeinde. Ich nenne jetzt keinen Namen. Aber er war begeistert von Prospéra und wollte die Stadt besuchen. Also arrangierte er Termine und reiste nach Honduras. Eine Pressesprecherin von Prospéra lud ihn ein. Man wollte ihn treffen und ihm die Stadt zeigen. Und dann, einen Tag vor dem geplanten Besuch – er war also bereits in Honduras – schrieb man ihm und teilte mit, dass er die Stadt nun doch nicht betreten dürfte. Dass er nicht kommen kann. Dass er der Stadt dauerhaft fernzubleiben habe. Wahrscheinlich haben die sich den Typen vorab noch mal genauer angeschaut und dann einige seiner kritischen Kommentare zu Thiel entdeckt. Man sollte den Herrscher also offensichtlich nicht kritisieren, wenn man dorthin möchte (lacht). Wahnsinn.
Derrick: Allerdings (lacht). Aber so wird es kommen.
Tom: Okay, letzte Frage zu diesem Thema.
Derrick: Jetzt stell dir das mal eine Stufe extremer vor. Heute machen sich Menschen Sorgen darüber, de-platformed oder de-banked zu werden. Was passiert wohl, wenn Leute wie Thiel jeden Aspekt der Stadt, in der du lebst, kontrollieren? Heutzutage machen wir uns Sorgen um die politische Landschaft und Tyrannen auf lokaler Ebene. Geht man aber in Richtung der sogenannten Freedom Cities, wird das zehnmal schlimmer werden.
Tom: Allerdings. Das sieht man schon an den aktuellen Abschiebungen nach El Salvador, über die du ja auch berichtet hast. Das ist doch völlig verrückt. Jeder, der Israel und den Völkermord in Gaza kritisiert, wird potenziell als Terrorist eingestuft und nach El Salvador verfrachtet. Jetzt wird sogar darüber diskutiert, US-Bürger wegen der vollen Gefängnisse nach El Salvador abzuschieben und damit der dortigen Gefängnisindustrie zu helfen. Das ist schon eine ziemlich verrückte Sache. Gab es diesbezüglich irgendein nennenswertes Medienecho in den USA? Du bist da sicher näher dran als ich hier in Europa.
Derrick: Nein, kaum. Aber ich habe den Clip, auf den du dich beziehst, gefunden. Erst in den letzten Tagen hat die Pressesprecherin des Weißen Hauses angemerkt, dass Trump diese Idee nur in den Raum stelle. Als ob das besser wäre – es noch nicht zu tun, die Idee aber schon Mal in den Raum zu stellen. Für mich ist es schon schlimm genug, dass sie Leute einfach zusammentreiben und ausliefern. Viele dieser vermeintlichen Gang-Mitglieder waren Berichten zufolge gar keine Gang-Mitglieder. Das ist aber bedauerlicherweise Teil des Kontroll-Grid. Stimmt es angesichts dieser falschen Dichotomie, dass Einwanderung von der herrschenden Klasse, der Prädatorenkaste, als Waffe eingesetzt wird, um Nationen nachhaltig zu destabilisieren? Stimmt es, dass sich Kulturen manchmal nicht integrieren und Zuwanderung zu steigender Kriminalität führen kann? Ja, das stimmt. Stimmt es, dass es progressive und politisch links verortete Menschen gibt, die absurde Dinge tun, wie zum Beispiel Kriminelle auf Bewährung freizulassen, damit sie weitere Verbrechen begehen können? Ja, das stimmt ebenfalls. Aber diese Geschichten werden immer weiter aufgebauscht und gestreut – und oft übertrieben. Manchmal sind sie auch schlichtweg falsch. Aber konservative und rechtsgerichtete Menschen haben diese Geschichten in den letzten Jahren permanent gehört. Die wollen jetzt Lösungen. Koste es, was es wolle.
Die wollen einfach, dass Trump die Migranten los wird. Sie glauben, es würde die Lage sicherer machen, ohne zu erkennen, dass sich die Politik, die sie unterstützen, am Ende gegen das amerikanische Volk richten wird. Und jetzt, drei Monate nach Trumps Amtsantritt, spricht man bereits über Deportationen von US-Bürgern.
Tom: Ja, absolut. Interessant ist dabei auch die internationale Komponente. In Kanada ist Mark Carney jetzt der neue, nicht gewählte Premierminister. Der Mann war Chef mehrerer Zentralbanken, bei der Trilateralen Kommission, den Bilderbergern, dem Financial Stability Board der BIZ, Chatham House, et cetera – er war in wirklich jeder Globalisten-Organisation, bei der man Mitglied sein kann. Und auch in Europa sehen wir ähnliche Entwicklungen. In Deutschland fanden unlängst Wahlen statt und die konservative Partei stellt nun den Kanzler. Neuer Regierungschef wird also jemand, der vorher CEO von BlackRock Deutschland war. Und natürlich hat man auch hier mit dem Migrationsproblem Stimmung gemacht. Was man brauche, sei die digitale ID, biometrische Überwachung und einen starken Staat, der sich um das Problem kümmert. Bislang ist das Militär noch nicht im Inneren im Einsatz, aber ich vermute, darauf wird man nicht allzu lange warten müssen. Wirklich erstaunlich, dass die Leute dieses Spiel nicht durchschauen. Ich thematisiere das auch sehr oft.
Viele Menschen hierzulande – und auch viele Vertreter der unabhängigen Medien – sind von Trump begeistert. Viele unterstützen die konservativen Parteien, obwohl sie genau den gleichen Überwachungsstaat implementieren werden wie die woke Linke, die man dafür in Bezug auf Covid kritisierte. Jetzt ist es nicht mehr das gefährliche Virus, sondern der gefährliche Pakistani. Natürlich gibt es reale Probleme – aber, wie du sagtest, ist Migration eine Waffe. Es gibt dieses UN-Papier vom März 2001 (Korrektur: 2000) namens »Replacement Migration«, das klar umreißt, wie viele Menschen in Italien, Amerika und Deutschland einwandern müssen, um die Bevölkerung auf dem Niveau zu halten, das man benötigt, damit Kapitalismus funktioniert. Eigentlich wollten wir aber noch über Lösungen sprechen. Denn wir alle wissen, dass turbulente Zeiten herrschen und es auch finanziell wahrscheinlich noch turbulenter werden wird. Vor allem, wenn es Krieg geben sollte. Daher noch kurz die Frage: Wie siehst du die Lage im Nahen Osten?
Wie siehst du die Entwicklung aus geopolitischer Sicht? Glaubst du, dass die USA tatsächlich in einen offenen Krieg mit dem Iran ziehen? Dass Israel diesen vielleicht beginnt oder auslöst? Oder siehst du bei den Entwicklungen in Europa ein Szenario, das zu einem Dritten Weltkrieg führen könnte? Was ist deine Einschätzung der geopolitischen und militärischen Lage?
Derrick: Ich bin da immer hin- und hergerissen. Einerseits halte ich es für absolut möglich, dass die USA Krieg gegen den Iran führen. Es wäre aber nicht einmal fair, das Krieg zu nennen. Sie werden den Iran einfach in Grund und Boden bombardieren. Das scheint mir die treffendere Beschreibung. Es wird keinen großen Krieg geben. Denn – wie JD Vance schon vor Amtsantritt sagte – wenn man den Iran angreifen will, muss man ihn hart treffen. Viele Menschen sind der Mär aufgesessen, dass Trump eine Art Friedenspräsident sei. Ich denke, dieser Eindruck hat sich bereits in den ersten Monaten zerstreut. Das große Thema ist aber natürlich seine Nähe zu den Zionisten – mit Antisemitismus-Vorwürfen rechtfertigt man ja auch die Sache mit den Deportationen. Jetzt werden sie die sozialen Medien aller potenziellen Anwärter auf ein Visum durchforsten und sicherstellen, dass diese keine »antisemitischen Inhalte« veröffentlichen. Israel hat also offensichtlich einen massiven Einfluss auf die USA und viele andere Länder. Insbesondere auf Trump. Israel will schon seit geraumer Zeit einen Krieg mit dem Iran. Selbst wenn man auf 9/11 zurückblickt und sich vor Augen führt, wo man damals überall einmarschieren wollte, wird klar, dass es vielleicht einfach nur etwas länger gedauert hat, das zu realisieren. Meiner Ansicht nach ist das jetzt also durchaus möglich. Ich versuche das aber auch mit meiner Überzeugung in Einklang zu bringen, dass Krieg dazu dient, Menschen in Angst zu versetzen und die Wirtschaft auf die eine oder andere Weise anzukurbeln. Das ganze Gerede vom Dritten Weltkrieg bringt Menschen natürlich aus der Balance. Ich bin selbstverständlich nicht im Bilde, was bei den ganzen Meetings besprochen wird, aber ich versuche, das im Hinterkopf zu behalten. Angesichts all dessen, was wir in den Medien und im öffentlichen Diskurs sehen, fragt man sich schon, wie weit das gehen wird. Oder wem es dient, die Leute mit der Angst vor einem Atomkrieg oder Dritten Weltkrieg unter Stress zu halten. Das heißt nicht, dass es keine reale Möglichkeit ist. Aber ja, ich versuche immer im Hinterkopf zu behalten, dass die Prädatorenkaste die Aussicht auf Krieg vielleicht auch nur nutzt, um sich zu profilieren und die Bevölkerung in einem mentalen Zustand zu halten, der Kontrolle und Manipulation vereinfacht. Denn wird man aus der Balance gebracht – herrschen Angst und Panik – ist man deutlich leichter zu beeinflussen, als wenn man einen klaren Kopf behält. Ich behaupte nicht, ein Experte für Geopolitik zu sein, aber ich glaube definitiv, dass ein Krieg gegen den Iran zur Debatte steht. Sie reden fast täglich darüber. Als würde man jeden Moment mit einem israelischen Angriff auf den Iran rechnen. Und damit, dass die USA Israel dabei unterstützen. Wir werden sehen, wie der Iran reagiert, wenn das passiert. Aber ich möchte im Hinterkopf behalten, dass wir nie genau wissen, ob es sich dabei nur um Propaganda handelt oder ob es tatsächlich so kommt. Sollte der Dritte Weltkrieg ausbrechen, sollten Länder anfangen, Atomraketen abzufeuern, können wir wahrscheinlich sowieso nichts dagegen tun. Deswegen sollten wir uns vielleicht nicht allzu viele Sorgen darum machen.
Tom: Macht Sinn. Es gibt einen Film namens The Day After – ich weiß nicht, ob du den kennst. Den habe ich als Kind im Alter von etwa acht Jahren gesehen. Seither weiß ich, dass niemand irgendeinen Krieg unterstützen sollte. Gegen wen auch immer. Das ist das Letzte. Leider sehen viele Menschen das aber nicht so. Nun gut. Sprechen wir über Lösungen – in der Annahme, dass die nukleare Apokalypse nicht unmittelbar bevorsteht. Du betreibst Gartenbau, du organisierst den People’s Reset, ein Event, das zu Beginn »The Greater Reset« hieß und das ich für eine fantastische Veranstaltung halte, weil es wirklich um Lösungen geht. Das Event findet einmal im Jahr in Mexiko statt. Letztes Jahr aber auch zum ersten Mal in Großbritannien. Vielleicht kannst du ein bisschen über die Veranstaltung und auch die Freedom Cells sprechen, wo du ebenfalls aktiv bist, und erklären, um was es dabei jeweils geht. Denn ich halte beides für großartige Konzepte, um Menschen in der analogen Welt zusammenzubringen.
Derrick: Beides gehört irgendwie zusammen. Ich beginne mit dem Freedom Cells Netzwerk. Denn das führte maßgeblich zum People's Reset. 2015 besuchte ich den Vortrag eines Freundes von mir, John Bush, ein Aktivist aus Texas. Dabei ging es hauptsächlich darum, wie man Menschen auf lokaler Ebene dezentral zusammenbringen kann – nicht unbedingt für lokale Politik, obwohl das Teil der Bemühungen dieser Gruppen sein könnte – sondern vielmehr darum, was wir tatsächlich für uns selbst tun können. Er sprach über die Idee der »Central Texas Mutual Aid Society«, deren Kerngedanke war, dass sich Gruppen von acht bis zehn Personen auf lokaler Ebene zusammentun. Dann überlegen diese acht bis zehn Menschen gemeinsam, auf welche Lösungen sie sich lokal konzentrieren wollen, welche Ziele sie verfolgen. Kümmern wir uns um den Anbau von Lebensmitteln? Darum, praktische Fähigkeiten zu erlernen? Oder um Finanzinstrumente und die Frage, wie wir alternative Währungen oder ähnliches produktiv nutzen können?
Man trifft sich mit dieser lokalen Gruppe, setzt sich Ziele und beginnt, diese gemeinsam zu verwirklichen. Es geht nicht darum, einfach eine weitere Aktivistengruppe zu gründen, in der man nur herumsitzt, redet und nichts tut – es geht darum, eine extrem aktive und handlungsorientierte Zelle zu gründen. Mit Menschen, die wirklich etwas bewegen wollen. Irgendwann nannte John diese Gruppen Freedom Cells. Das war eine Anspielung auf die US-Propaganda über Terrorzellen – der wir dachten, Freiheitszellen entgegensetzen zu können. Ich habe das Konzept immer so interpretiert, dass man selbst aktiv wird und seine erste Zelle oder Gruppe gründet. Manche nennen sie auch Hubs, Zirkel oder Bienenstöcke. Der Name ist eigentlich irrelevant. Es geht nur um das Konzept. Ich habe beispielsweise eine Zelle in Houston gegründet, nachdem mich die Idee inspiriert hatte. Ursprünglich war es nur eine Gruppe. Aber als diese wuchs und sich mehr Leute dafür interessierten, merkten einige, dass sie aus dem Norden Houstons kamen, also 30 Minuten Anfahrt auf sich nehmen. Daraufhin gründeten sie die North Houston Freedom Cell, die sich fortan wöchentlich traf. Das wuchs immer weiter und wir gründeten regionale Gruppen. Einmal im Monat trafen sich alle lokalen Gruppen zu einem gemeinsamen Abendessen, saßen zusammen und diskutierten, woran sie gerade arbeiten. Man besprach, welche Ideen von anderen Gruppen vielleicht auch von der eigenen Zelle umgesetzt werden können. Denn jede ist anders. Je nach Mitgliederstruktur, individuellen Interessen, Ressourcen und den lokalen Gegebenheiten. Es ist also wirklich dezentral. Es gibt kein Programm, an dem sich jede Zelle orientieren muss.
Wir geben zentrale Impulse zu verschiedenen Ideen, ja. Über einige davon habe ich in meinen Büchern geschrieben. Letztendlich hängt es aber davon ab, was die Menschen für sich selbst tun möchten, was ihre Interessen sind und worauf sie sich konzentrieren. Deshalb habe ich 2016 in Houston damit begonnen, Videos zu veröffentlichen, die zeigen, wie das Freedom Cells Konzept im Bereich Lebensmittelanbau angewandt werden kann, wie es für alle möglichen Dinge angewandt werden kann. Ich habe Werbung für eine Idee gemacht, die ich selbst praktiziere und lebe. Wir betrieben damals auch eine Webseite, die stetig wuchs. Ich habe Interviews beim Corbett Report und anderswo gegeben. Bis 2020 waren wir auf 1.500 Mitglieder gewachsen. Und dann schenkte man uns Covid-1984. Die Website wuchs von 1.000 auf 20.000 und dann 30.000 Mitglieder an. Heute sind es etwa 45.000. Denn wir Menschen sind eine verrückte Spezies und reagieren erst, wenn wir uns bedroht fühlen. Davor normalerweise nicht. Als dann aber alle die Bedrohung spürten und Panik aufkam, hatte plötzlich jeder den Wunsch, Gleichgesinnte in der Gegend finden zu wollen. Die Webseite hatten wir bereits 2019 überarbeitet. Die wichtigste Funktion der Webseite sind die Karten. Wir haben Mitglieder- und Gruppenkarten, die die Nutzer aufrufen können. Sie können sich ein kostenloses Profil erstellen, ihre Fähigkeiten, Interessen, Ziele und ihren Standort angeben. Wir benötigen dazu keine Privatadresse, sondern nur die Stadt oder die Gegend, in der sie sich befinden. So werden die User den Karten hinzugefügt. Dann ruft man die Karten auf und lässt sich alle Gruppen anzeigen, die im Umkreis von 20 oder 50 Kilometern existieren. Man kann deren Seiten aufrufen und sich die Gruppen anschauen – und hat damit wirklich eine Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu treten. Speziell während Covid war das für viele nützlich. Menschen aus aller Welt erzählten uns dazu wunderbare Erfolgsgeschichten.
In Indien wurde das wirklich populär. In Australien auch ein wenig – weil dort so harte Ausgangsbeschränkungen verhängt wurden und man es nutzen konnte, um Gleichgesinnte zu finden. Viele erzählten uns, dass sie sich über die Website kennenlernten. Dass sie ihre Kinder zu Hause gemeinsam unterrichteten oder gemeinsam Lebensmittel anbauten. Einige von ihnen haben sogar gemeinsam Land gekauft. Die Website gibt es natürlich immer noch. Aber die Nutzung ist etwas zurückgegangen, weil die Leute das Gefühl haben, die Dinge hätten sich irgendwie beruhigt. Ich wünschte, die Leute würden dabei bleiben. Aber leider ist es so, dass Menschen am aktivsten sind, wenn sie sich bedroht fühlen. Schaut einfach mal auf www.freedomcells.org. vorbei. Wenn ihr Gleichgesinnte sucht, niemanden in eurer Gegend kennt, oder wenn ihr bereits eine Gruppe habt, erstellt einfach ein Profil auf der Webseite, damit in Zukunft jeder, der sucht, weiß, dass es euch gibt und Kontakt aufnehmen kann. Auf der Website ist immer noch viel los. Auch über unsere Telegram-App sind viele Freedom Cells aktiv. Wir steuern das nicht wirklich, da es sich um eine dezentrale Bewegung handelt. Wir stellen lediglich das Konzept vor, die Webseite zur Verfügung und legen die Prinzipien dar. Und die Hauptprinzipien sind: Lösungsorientiert, unpolitisch, dezentral und gewaltfrei. Wenn du diese Prinzipien verstehst und teilst – leg los.
Es war wirklich schön, als ich vor ein paar Jahren eine Tour durch die USA und Mexiko machte, weil die Freedom Cells während Covid auch in Mexiko sehr populär wurden. Es war toll, einfach Leute zu treffen, die all diese Erfolgsgeschichten teilen. Viele dieser Erfolgsgeschichten habe ich in meinem Buch »How to Opt Out of the Technocratic State« beschrieben, in dem es um freiheitliche Konzepte geht. Man kann das Buch auch kostenlos auf meiner Homepage herunterladen. Es gibt sogar eine deutsche Version des Buches.
Tom: Wir werden all das unter dem Video verlinken. Und ich kann nur jeden auffordern, die Freedom Cells Webseite zu nutzen. Denn 2020 habe ich mich selbst registriert, nachdem ich auf das Konzept gestoßen bin. In der Schweiz, beziehungsweise an meinem damaligen Wohnort, gab es aber noch nicht viele Profile. Ich habe versucht, in Zürich eine Zelle aufzubauen. Aber mit den paar Leuten, die ich in meiner Gegend gefunden habe … – zudem hatte ich mein eigenes Netzwerk. Ich habe ja zum Glück keine Freunde verloren während Covid.
Derrick: Verstehe, manchmal braucht man es nicht so sehr wie andere Leute, nicht wahr (lacht).
Tom: Ja, aber es ist gut, Menschen dazu zu ermuntern, sich zu registrieren. Denn je mehr Menschen angemeldet sind, desto eher findet man auch jemanden. Das ist ja die Idee.
Derrick: Genau. Das sage ich den Leuten auch immer. Selbst wenn ihr schon eine andere Gruppe habt oder nichts sucht, registriert euch einfach. Lasst einfach euren Kontakt da. Und wenn man in der Gegend, in der man lebt, niemanden findet – dazu bekomme ich immer wieder Mails – dann bist du hiermit nominiert, eine Gruppe in deiner Gegend zu gründen. Denn ich garantiere, dass andere Leute in der gleichen Gegend suchen und denken, da ist niemand. Da ist es doch besser, die Initiative zu ergreifen – und wenn das nächste Mal jemand in deinem Einzugsgebiet sucht, findet er dich. So wächst die Bewegung weiter. So war das damals – und es lief gut. Besonders während Covid. Dann sahen mein Freund John und ich im Juni 2020 die Ankündigung des Great Reset. Wir nahmen die Panik in den freiheitlich gesinnten Kreisen war und wussten, dass man im Januar 2021 in Davos den Great Reset ausrufen wird. Daher begannen wir im Herbst darüber nachzudenken, wie wir den Menschen wirklich Lösungen bieten können. Wir wollten Davos etwas entgegensetzen, Menschen eine Alternative bieten, anstatt uns nur auf Klaus Schwab zu konzentrieren. Deshalb starteten wir eine Veranstaltung, die im ersten Jahr größtenteils virtuell stattfand. Ich war live vor Ort in Mexiko und zu meiner Überraschung tauchten 80 Leute auf, während sich die Welt im Lockdown befand. Als wir die Veranstaltung im Januar 2021 durchgeführt haben, schalteten sich 100.000 Menschen aus über 20 Ländern zu. Uns war sofort klar, dass dieses Konzept Potenzial hat. Es waren fünf Tage. Wir konzentrierten uns auf verschiedene Themen wie Gesundheit, mentales und spirituelles Wohlbefinden, Lebensmittelanbau, Permakultur, parallele Netzwerke, Technologie, dezentrale Datenschutztechnologie und lernten von Menschen, die in Gemeinschaften leben und ihre Aktivistengruppen auf unterschiedliche Weise organisieren.
Auf Basis dieses ersten Events wuchs unser Telegram-Kanal und die Mailing-Liste. 2021 haben wir dann sogar noch eine zweite Veranstaltung gemacht. Aber das ist sehr viel Arbeit. Deswegen haben wir uns darauf geeinigt, bei einem jährlichen Rhythmus zu bleiben. So machen wir das jetzt schon seit einer Weile jeden Januar. Zuerst hat John noch eine Live-Veranstaltung in Texas, USA, gemacht, während ich eine in Mexiko organisiert habe. Aber dann sind wir dazu übergegangen, das Event nur noch an einem zentralen Ort in Mexiko auszurichten. Die Veranstaltung findet also jetzt jedes Jahr im Januar statt. Sie ist komplett kostenlos online zugänglich. Außerdem haben wir einen Odysee-Kanal, den man auch über die Webseite findet. Man kann sich jeden einzelnen Vortrag, der von 2021 bis 2025 im Rahmen unserer Veranstaltung gehalten wurde, völlig kostenlos ansehen. All die Informationen sind online. Alles ist kostenlos. Alle Archive werden online gestellt, weil wir diese Informationen für sehr wertvoll und wichtig halten. Ich denke, wir verfügen über die weltweit größte Datenbank mit lösungsorientierten Vorträgen. Wir bieten keine Diskussionen über Verschwörungen oder Analysen der Theorien zu Covid. Dafür gibt es genug andere Kanäle. Bei uns liegt der Fokus zu 100 Prozent auf Lösungen.
Gerade erst im Januar dieses Jahres hatten wir unsere siebte Veranstaltung, einschließlich dem von dir erwähnten Event in Großbritannien. Rund 400 Teilnehmer aus 15 Ländern waren dabei. Es war, so glaube ich, die beste Veranstaltung, die wir bisher hatten. Im Grunde ist das alles Teil unserer Bemühungen, den Menschen zu zeigen, dass es Lösungen gibt und wir tatsächlich etwas für unser Leben tun können. Wir müssen nicht die Hoffnung verlieren und aufgeben, nur weil die Lage düster ist – wobei ich da voll und ganz zustimme. Ich hoffe aber, dass mehr Menschen aktiv werden, wenn sie erkennen, dass es Auswege gibt. Wir machen diese Veranstaltung nicht, um uns selbst auf die Schulter klopfen zu können. Wir verdienen kein Geld mit diesem Event – was ich eigentlich gerne ändern würde (lacht) – aber zum Glück kommen wir über die Runden und verdienen genug, um unsere Rechnungen zu bezahlen. Es ist aber kein riesiges Unternehmen oder so etwas. Der eigentliche Lohn sind Kommentare und E-Mails von Leuten, die uns erzählen, wie sich ihr Leben verändert hat, nachdem sie online zugeschaut haben oder persönlich dabei waren. Manche haben ihr Leben daraufhin grundlegend restrukturiert.
Wir haben bei der Veranstaltung auch wirklich betont, dass es keinen Sinn macht, einfach immer wieder zu solchen Anlässen zu gehen, wenn man selbst danach nichts tut. Denn dann verfehlt die Veranstaltung ihr Ziel. Das langfristige Ziel ist, dass wir uns in 20 oder 30 Jahren, wenn wir den People’s Reset dann immer noch ausrichten, umschauen und festhalten können, wer aufgrund seiner Teilnahme Land gekauft, sein eigenes Essen angebaut oder sich von Big Tech abgewandt hat. Wer seinen Gesundheitszustand verbessern konnte. Dass Menschen die präsentierten Ideen wirklich aufgegriffen und umgesetzt haben. Dafür halten wir das ganze Jahr Ausschau nach brillanten Köpfen in all den verschiedenen Bereichen. Einige von ihnen sind wirklich bekannt und haben Millionen von Followern – andere sind Menschen, von denen man noch nie gehört hat, die aber wichtige Arbeit in ihrem jeweiligen Fachgebiet leisten. Es war wirklich eine tolle Erfahrung für mich, bei so einem Projekt mitzumachen. Wir hoffen, bald wieder eine Veranstaltung in Europa durchführen zu können. Wir waren in Großbritannien. Das war sozusagen der erste Schritt in diese Richtung. Aber wir wurden auch nach Portugal und in andere Ländern eingeladen. Ich weiß nicht, ob das 2025 klappt, aber der Plan ist definitiv, diese Bewegung so international wie möglich aufzustellen.
Tom: Auch ich kann jeden nur dazu ermutigen, sich die Inhalte anzusehen. Denn ich bin auf viele wirklich interessante Ideen gestoßen, von denen ich vorher noch nie gehört hatte. Zum Beispiel Reticulum – die Idee eines dezentralen Internets auf Basis eines neu entwickelten Geräts, das auf der Veranstaltung vorgestellt wurde. Sehenswert war natürlich auch Hakeem (Above Phone), mit dem ich vor einer Weile gesprochen habe. Es gibt wirklich viele interessante Inhalte zu verschiedensten Themen. Und – wie du gesagt hast – ist es nicht die übliche Diskussion zu Peter Thiel und so weiter. Es geht also nicht um »Verschwörungstheorien« und politische Diskussionen, sondern um wirklich lösungsorientierte Beiträge. Und da wir nun schon bei knapp einer Stunde angekommen sind, wollte ich zumindest kurz deine persönlichen Erfahrungen anschneiden. Denn noch kennen wir uns ja nicht persönlich. Ich hoffe aber, nächstes Jahr nach Mexiko kommen zu können. Ich hatte das eigentlich für dieses Jahr auf dem Plan, aber wegen Arbeiten zu Hause und dem Neubau meines Tonstudios klappte das nicht – wir sind umgezogen. Hoffentlich treffen wir uns dann nächstes Jahr persönlich. Ich denke jedenfalls, dass du einer der wenigen Menschen bist, die die Revolution, über die die unabhängigen Medien so gerne sprechen, tatsächlich leben.
Du lebst größtenteils unabhängig und nutzt praktisch keine Banken. Du versuchst, ein wirklich freies Leben zu führen – wie ich es zumindest basierend auf Basis meiner Eindrücke nennen würde. Wie machst du das? Wenn es um Voluntarismus geht, fragen viele ja zuerst: Aber wer baut dann die Straßen (lacht)? Diese gleiche und stupide Frage kommt ja immer wieder. Wie werde ich bezahlt, wenn ich arbeite? Wie sende ich jemandem Geld? Wie kaufe ich Land? Du bewirbst diesbezüglich deine »Exit and Build« Strategie – was ich für wirklich wichtig halte, weil die Revolution dich jeden Morgen im Spiegel anschaut. Niemand sonst wird die Welt verändern als die Person, die du morgens im Spiegel siehst. Vielleicht kannst du kurz darauf eingehen, bevor wir zum Ende kommen.
Derrick: Sicher. Vielen Dank dafür. Und ja, ich würde mich freuen, dich nächstes Jahr persönlich begrüßen zu dürfen. Wir würden dich gerne als Medienvertreter einladen. Um das Event mitzuerleben, um Interviews führen und mit Leuten sprechen zu können. Das würde uns sehr freuen. Und ja, ich besitze hier in Mexiko Land – und wie du bereits erwähnt hast, habe ich seit 2008 keine traditionelle Bank mehr genutzt. Die einfache, kurze Antwort lautet: Es ist nicht einfach. Glaub mir. Es ist definitiv nicht einfach. Und ich denke, in dieser Welt wird es immer schwieriger. Genau darum ging es in meinem Buch über den technokratischen Staat. Ich habe meine eigenen Erfahrungen geteilt – und Wege, wie ich auf verschiedene Weise versucht habe, aus dem System auszusteigen. Außerdem habe ich mit Menschen gesprochen, die nicht in dieser Position sind. Mit jemandem, der hoch verschuldet und in das System eingebunden ist, der aber versucht, sich langsam aus diesen systemischen Zwängen zu lösen – bevor es zu spät ist und wirklich schwierig, wenn nicht gar unmöglich, noch abseits davon leben zu können. Mein Hauptaugenmerk liegt auf dem Aufbau paralleler Systeme. Und wie du korrekt festgestellt hat, versuche ich, mit gutem Beispiel voranzugehen. Ich würde mich nicht wohlfühlen, wenn ich nur Dinge predige, die ich selbst nicht wirklich umsetze. Ich glaube, die Leute würden diese Diskrepanz bemerken. Deshalb habe ich mich auf unser Grundstück konzentriert, das etwa eine Stunde außerhalb der Stadt im Zentrum Mexikos liegt. Hier baue ich hoffentlich noch dieses oder Anfang nächsten Jahres unser Haus. Die »Exit und Build« Strategie konzentriert sich stark auf den Erwerb von Land. Doch selbst wenn das nicht das primäre Vorhaben sein sollte, besteht das übergeordnete Ziel darin, aus möglichst vielen Systemen auszusteigen – sei es bezüglich Technologie, Finanzen, Bildung oder Gesundheitswesen. Aus all den Systemen, die als Kontrollmechanismus genutzt werden können und nicht unseren Werten und Prinzipien entsprechen.
Deshalb sollten wir in so vielen Bereichen wie möglich »mit Geld abstimmen«. Das ist ein Prozess. Er braucht Zeit. Ich nenne das »Aussteigen und Aufbauen«. Ausstieg aus Systemen und anschließender Aufbau – oder Unterstützung derjenigen, die neue Systeme entwickeln. So wie Hakeem es tut, der technische Lösungen entwickelt und den du vorhin erwähnt hast. Ich bin kein Techniker. Daher ist das nicht meine Stärke. Aber ich versuche, diejenigen zu unterstützen, die in diesem Bereich aktiv sind. Und ja, ich würde gerne noch einmal kommen und mit dir ausführlich über diese Strategie sprechen, weil ich das für sehr wichtig halte. Wer mehr darüber erfahren möchte, kann sich zwischenzeitlich mit meinem Buch oder dem entsprechenden Bereich auf unserer Webseite befassen. Wir haben gerade eine neue Seite für mein Konzept aus 2024 veröffentlicht. Kurz vor den US-Wahlen habe ich eine 45-Tage-Exit-and-Build-Challenge gemacht. Damit wollte ich den Leuten zeigen, dass sie diese Schritte auch dann versuchen können, wenn sie wählen gehen. Es sind Empfehlungen für ein Programm von sieben Wochen. Also praktisch ein Video zu einem bestimmten Thema pro Woche. So konzentriert man sich jede Woche auf einen anderen Bereich: Geld, Gesundheit, Land, et cetera. Ich stelle den Leuten einfach verschiedene Ideen vor, die ich selbst anwende. Und zwar nicht auf abstrakte, sondern sehr praktische Art und Weise. Basierend auf meinen eigenen Erfahrungen. Die Idee dahinter war: Wer dieses Programm verfolgt, wird sein Leben verbessern, selbst wenn er wählen geht. Wahrscheinlich bereuen einige Amerikaner mittlerweile ihre Wahl und erkennen, dass sie wahrscheinlich nicht das bekommen werden, was sie erwartet haben.
Wir haben jetzt eine einfache Startseite auf meiner Internetpräsenz, auf der die Leute Woche für Woche und in ihrem eigenen Tempo mehr über diese Strategie erfahren können. Wenn sich jemand dafür interessiert, ist das also wahrscheinlich der beste Einstieg.
Tom: Stimmt. Ich kann die Zuschauer nur ermutigen – jetzt schon zum dritten Mal – sich die Conscious Resistance Webseite und auch den Bereich Universität anzuschauen. Es gibt dort wirklich viele Inhalte. Sogar auf Spanisch. Ich kann zwar nicht wirklich gut Spanisch, obwohl ich eine Zeit lang in Mexiko gelebt habe, finde das aber super. Übersetzt du selbst?
Derrick: Nein. Ich arbeite mit einigen Freunden zusammen, die recht gut Spanisch sprechen. Ich komme ursprünglich nicht aus Mexiko. Meine Familie lebte aber vor ein paar Generationen hier. Ich arbeite mit einigen Mexikanern zusammen, damit wir die Übersetzung so gut wie möglich hinbekommen. Vor allem deshalb, weil einige der Themen etwas technischer und somit recht anspruchsvoll sind. Wir möchten sicherstellen, dass die Inhalte so präzise wie möglich übersetzt sind. Deshalb sind manche auch auf Spanisch verfügbar. Ich möchte auch die Artikel über Peter Thiel, die wir besprochen haben, zeitnah übersetzen und dort veröffentlichen. Vielen Dank für die Komplimente zur Webseite. Die gibt es ja schon seit über zehn Jahren. Ich versuche, sie so einfach wie möglich zu gestalten und die verschiedenen Inhalte so übersichtlich wie möglich darzustellen. Ich bin überzeugt, dass jeder, der vorbeischaut, etwas Interessantes finden wird.
Tom: Wenn du nicht sofort los musst, würde ich gerne noch auf ein letztes Projekt hinweisen – nämlich deine Pyramid of Power Doku-Reihe. Du hast erwähnt, dass du im Laufe der Jahre rund 1.000 Arbeitsstunden in diese Dokumentation investiert hast. Würdest du den Zuschauern kurz erklären, was das für ein Projekt ist und wo sie es finden?
Derrick: Ich muss aber kurz meinen Laptop einstöpseln, bevor der Akku leer ist.
Tom: Kein Problem.
Derrick: Okay.
Tom: Alles gut.
Derrick: So, jetzt. Okay, The Pyramid of Power findet man auf www.thepyramidofpower.net – das war eine Herzensangelegenheit. So könnte mal das wohl nennen. Denn es ist kein Projekt, für das ich bezahlt werde. Obwohl ich wirklich viel Zeit dafür aufwende. Es ist ein langfristig angelegtes Projekt, das ich wohl mein ganzes Leben lang vorantreiben werde.
Tom: Es hat einen riesigen Umfang.
Derrick: Einer der wahrscheinlich besten Ratschläge, die ich im Laufe der Jahre von einem Redakteur bekommen habe, war, als er mir sagte, ich solle mich auf zeitlose Inhalte konzentrieren. Damit meinte er, dass man seine Energie nicht nur auf das aktuelle Tagesgeschehen konzentrieren solle. Denn in fünf Jahren werde sich niemand mehr dafür interessieren, was am 11. April passiert sei. Oder dafür, was an diesem Tag in den Twitter-Trends war. Schreibt man jedoch Artikel, Dokumentationen und Bücher, die auch in fünf, zehn oder sogar noch mehr Jahren relevant sind, dann ist das etwas, das die Zeit überdauert. Deshalb hat mich diese Idee wirklich begeistert. Ursprünglich ging es dabei um eine Präsentation. Sie dauerte zweieinhalb bis drei Stunden und ich habe sie auf meiner US-Tournee circa 50 mal gehalten. Zum Glück waren die Besucher so nett, sich das alles anzuhören. Später wurde mir aber klar, dass das wahrscheinlich nicht das ideale Format für all diese Informationen ist. Also beschloss ich, sie in mundgerechte Häppchen aufzuteilen. Zunächst bestand die Idee darin, die verlässlichsten Informationen – ob Bücher oder Dokus – mit meinen eigenen Recherchen zu kombinieren und auf 30 Minuten lange Blöcke zu komprimieren. Das verträgt vielleicht auch die Generation Netflix. Oder Serienjunkies. Oft lesen wir ja Bücher oder kennen Dokus, die wir gerne mit Freunden teilen möchten. Von denen will aber keiner eine dreistündige Dokumentation anschauen. Oder ein 500 Seiten umfassendes Buch lesen. Bringt man sie jedoch dazu, sich eine 25- bis 30-minütige Folge anzusehen, kann man sie vielleicht begeistern und dazu bringen, Fragen zu stellen. Die Idee war, meine besten Recherchen zu nutzen und sie zu verdichten. Natürlich endet jede Folge mit Lösungsvorschlägen. Denn das ist für mich essenziell.
Zum Abschluss jeder Folge gibt es Buch-Tipps und Hinweise auf weiterführende Dokus. Für etwa 70 Prozent der Reihe ist es uns gelungen, die Folgen auf 30 Minuten oder weniger zu beschränken. Ein paar sind länger geworden, weil die Themen im Laufe der Serie komplexer werden. Wir beginnen mit den Grundlagen – Bildungssystem, Medien, Big Tech – und klettern dann die Pyramide hinauf, wo es etwas historischer und – ich würde sagen –verschwörungstheoretischer wird. Aber alles, was ich für die Doku geschrieben habe, ist vollständig belegt und auf der Webseite dokumentiert, wo man die Audio- und Videoversionen sowie die mit Quellen unterlegten Transkripte jeder Folge findet. Zunächst war die Reihe auf zwölf Folgen angelegt, hat sich dann aber weiterentwickelt. Jetzt sind es 17. Die 16 bereits veröffentlichten Episoden sind kostenlos auf der Seite verfügbar. Aktuell schreibe ich Folge Nummer 17. Sobald wir dieses Interview beendet haben, werde ich daran weiterarbeiten.
In ein paar Tagen, maximal in einer Woche, werde ich mit dem 17. Teil fertig sein. Darin geht es dann um die Frage, wer oder was an der Spitze der Pyramide steht. Dafür bringe ich wieder die Ergebnisse meiner eigenen Recherchen ein. Aber ich lasse auch G. Edward Griffin, David Icke, James Corbett, Larken Rose, Mark Passio und Richard Spence zu Wort kommen – all die großartigen Rechercheure, die schon viel länger dabei sind als ich, damit sie ihre Meinungen und Ansichten darlegen können. Und dann werden wir diese überprüfen. Der eine sagt, es sind die Freimaurer, der andere denkt, es seien die Jesuiten, und ein Dritter nennt die Zionisten – dazu schauen wir uns die jeweiligen Daten an. Wir wollen die verschiedenen Theorien, die auf diesem Feld existieren, vorstellen und uns dann anschauen, welche Beweise oder Gegenpositionen es dazu gibt. Ehrlich gesagt sehe ich das Projekt gar nicht als Verschwörungsdokumentation. Ich bin eher dem Ansatz einer True-Crime-Dokumentation gefolgt, weil alles dokumentiert und mit Quellen belegt ist. So habe ich versucht, einige der Fallstricke zu vermeiden, die mir im Laufe der Jahre bei anderen Dokumentationen aufgefallen sind. Sogar bei den Dokus, die zu meinem eigenen Erwachen beigetragen haben. In meinen Augen gibt es in dem Bereich nämlich viel zu oft Logikfehler, Spekulationen und Fear-Porn.
Daher habe ich mein Möglichstes versucht, um all das zu vermeiden und mich auf das zu beschränken, was wir beweisen können. Das wird sicher einige Leute verärgern, weil ich nicht mit dem Finger auf die Personen zeige, auf die sie selbst zeigen wollen. Aber das Projekt war eine wirkliche Herzensangelegenheit. Die gesamte Serie wurde komplett durch Crowdfunding finanziert.
Damit angefangen habe ich 2021. Jetzt sind wir fast fertig. Ich denke, die letzte Folge erscheint im Juni. Wir haben in dieser Zeit 45.000 Dollar gesammelt, um das Projekt zu finanzieren. Mich selbst habe ich überhaupt nicht bezahlt, was kein wirklich gutes Geschäft ist (lacht), denn das Geld ging an meine Mitstreiter. Ich hatte das Glück, mit drei sehr guten Videoredakteuren zu arbeiten, die meine Drehbücher visuell großartig umgesetzt haben. Sodass es für den Zuschauer wirklich hochwertig wirkt und man zuschauen und zuhören will. Ich selbst schreibe das Skript, nehme die Audiospuren auf und schicke es ihnen dann. Und ja, es ist wirklich das umfangreichste Projekt, das ich jemals realisiert habe. Wenn wir mit dieser Folge fertig sind, planen wir, die ganzen Drehbücher in ein Begleitbuch umzuwandeln und DVDs zu produzieren – eine begrenzte Anzahl an DVDs für diejenigen, die noch DVDs schauen. Und USB-Sticks. Wie gesagt, das ist wahrscheinlich ein Projekt, das ich mein Leben lang vorantreiben werde.
Tom: Und der Aufwand hat sich gelohnt. Dokumentationen des History Channel sehen auch nicht viel besser aus. Wirklich toll geworden. Ich werde mir auch verkneifen, dich jetzt zu fragen, wer oder was an der Spitze der Pyramide steht (lacht). Wir sind ein bisschen über der Zeit – daher möchte ich noch einmal meinen großen Respekt für deine Arbeit ausdrücken. Und wenn du mal wieder Zeit findest, können wir gerne noch ein weiteres Gespräch aufzeichnen, in dem wir uns auf das Thema Lösungen konzentrieren. Denn viele Menschen haben sehr praktische Fragen, die dem Willen, etwas zu tun, im Wege stehen.
Die wissen einfach nicht, wie sie anfangen sollen. Daher empfehle ich zum Schluss nochmals die 45-Tage-Challenge sowie die ganzen Inhalte auf Derricks Webseite als Ausgangspunkt. Ich hoffe, wir können das Gespräch in nicht allzu ferner Zukunft fortsetzen. Danke, dass du dir heute Zeit genommen hast. Weiter so. Großartige Arbeit.
Derrick: Danke für die Einladung.
Bild: Derrick Broze



