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Der Merkel'sche Monotheismus

Die Rufe nach straffer Führung und mehr Kompetenzen beim Bund werden im Corona-Chaos lauter. Muss der Föderalismus in der Krise einem neuen Zentralkomitee weichen?


Tom-Oliver Regenauer | 01.04.2021 | Lesezeit: 6 Minuten

Deutschland im gesellschaftlichen, politischen und juristischen Corona-Chaos. Landauf, landab herrschen unterschiedliche, teils widersprüchliche Verordnungen. Praktisch täglich gibt es Anpassungen. Gerichte heben Verordnungen auf, damit die jeweilige Landesregierung sie nur Stunden später geringfügig angepasst erneut in Kraft setzt. Die Exekutive kommt dem gesamten Verordnungswahn kaum nach. Pannen, Zahlendreher, Paradoxa wohin man schaut. Die Bevölkerung ist überfordert und gespalten angesichts der Lösungswege. Aber eines fordern alle Lager gemeinsam – ein Ende der politischen Farce.


»Sich voneinander abzusondern ist die Eigenschaft der Deutschen; ich habe sie noch nie verbunden gesehen, als im Hass gegen Napoleon.« (Johann Wolfgang von Goethe)


Die Bevölkerung hat zu ansehnlichen Teilen innerlich kapituliert und schenkt den Verlautbarungen von Landes- und Bundesregierung nur noch beiläufig Beachtung. Das Vertrauen in etablierte Parteien sowie die Politik insgesamt ist durch die Krise weiter erodiert. Trotzdem versucht die berüchtigte MPK (Ministerpräsidenten-Konferenz) in regelmäßigen Abständen, als kompetentes Krisenmanagement-Team aufzutreten und den Anschein zu erwecken, dass um Lösungen gerungen und Regionalkolorit verteidigt werde.


Dabei wurde gerade in den letzten Wochen mehr als deutlich: Die Richtlinienkompetenz, treffender, die Entscheidungsgewalt, liegt am Ende beim Bundeskanzleramt. Angela Merkel, Helge Braun, ausgewählte Ministerpräsidenten und ein paar Staatsminister entscheiden zentral. Parlamentarismus, Föderalismus oder gar die Idee eines Souveräns erscheinen in der Krise nur hinderlich. So werden diese Modelle von Lockdown-geplagten Bürgern und Medien immer häufiger als zu bürokratisch, langsam und ineffizient bezeichnet. Und das stimmt. Demokratie war nie schnell. Das darf sie aber auch nicht sein.


»Demokratie: Die Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk.« (Abraham Lincoln)


Der demokratische Prozess ist zeitraubend, ja. Je direkter die Demokratie gestaltet ist, desto länger dauern Entscheidungsprozesse. Umso breiter ist aber auch deren Akzeptanz im »Stimmvolk«, wie es die Schweizer nennen. Demokratie ist das Gegenteil von Zentralismus, den wir nur von totalitären Regimen gewohnt sind. Denn »Demokratie ist die Notwendigkeit, sich gelegentlich den Ansichten anderer Leute zu beugen«, wie Winston Churchill zu sagen pflegte.


Wenn also derzeit der Ruf nach mehr Kompetenzen im Bund lauter wird, Bürger und Medien den Föderalismus kritisieren und sich für eine straffere Führung aus Berlin stark machen, dann reden sie dem Zentralismus das Wort. Dabei sollte die Menschheit aus der Geschichte gelernt haben, dass weder der Imperator, Führer, das Triumvirat oder ein Zentralkomitee politische Konzepte zum Wohle des Normalbürgers darstellen.


Angela Merkel drohte den Ministerpräsidenten in den letzten Tagen schon öffentlich damit, künftig ohne sie zu entscheiden, sollten sie ihre Bundesländer in Sachen Corona nicht in den Griff bekommen. Sie erwäge, eine entsprechende Gesetzesänderung zu unterstützen, um dem Bund, und damit sich selbst, mehr Entscheidungshoheit in der Krise zuzuschreiben. Nachdem der Bundestag seit der Verabschiedung des revidierten Infektionsschutzgesetzes im November 2020 nur noch einen politisch kastrierten Nebenschauplatz verkörpert, wäre dies ein weiterer Schritt in Richtung Zentralismus – oder wahlweise Totalitarismus.


Das klingt hart. Und das ist es auch. Denn egal, um welche Ideologie es sich handelt, Feudalismus und absolute Macht in den Händen weniger ist nie eine Lösung zum Wohle des Volkes gewesen. So beschreibt »totalitär« bedauernswerterweise immer präziser das, was sich in der Bundesregierung abspielt. Neben einer ungesunden Machtkonzentration im Kanzleramt, scheint auch die Gesetzesänderung zur »Fortgeltung der epidemischen Lage« mehr als fragwürdig. In Anbetracht der realen gesundheitlichen Risiken von COVID-19 ist ein fortwährender Ausnahmezustand in Deutschland nicht mehr zu begründen. Zumal Beispiele wie Florida oder Schweden zeigen, dass auch andere, weniger destruktive Wege gangbar sind.


»Die Demokratie setzt die Vernunft im Volke voraus, die sie erst hervorbringen soll.« (Karl Jaspers)


Man muss der deutschen Bundesregierung daher Arroganz, Ignoranz und Vorsatz unterstellen. Anders lässt sich kaum erklären, warum Empfehlungen der WHO ignoriert und z.B. Studien des weltweit anerkannten Wissenschaftlers Prof. John Ioannidis (Stanford University) nicht wahrgenommen werden, die deutlich machen, dass Lockdowns kontraproduktiv sind, während die Infektionssterblichkeit von COVID-19 bei gerade einmal 0,15% liegt. Auch die alleinige Fixierung auf den durch PCR-Tests ermittelten Inzidenzwert ist falsch. Dies bestätigte jüngst ein Gerichtsurteil aus Österreich, welches klarstellt:


»Geht man von den Definitionen des Gesundheitsministers, »Falldefinition Covid-19« vom 23.12.2020, aus, so ist ein »bestätigter Fall« 1) jede Person mit Nachweis von SARS-CoV-2 spezifischer Nukleinsäure (PCR-Test, Anm.), unabhängig von klinischer Manifestation oder 2) jede Person, mit Nachweis von SARS-CoV-spezifischem Antigen, die die klinischen Kriterien erfüllt oder 3) jede Person, mit Nachweis von SARS-CoV-spezifischem Antigen, die die epidemiologischen Kriterien erfüllt. Es erfüllt somit keiner der drei vom Gesundheitsminister definierten »bestätigten Fälle« die Erfordernisse des Begriffs »Kranker/Infizierter« der WHO. Das alleinige Abstellen auf den PCR-Test (bestätigter Fall 1) wird von der WHO abgelehnt.« (Quelle: Verwaltungsgericht Wien, VGW-103/048/3227/2021-2)


Im Lichte dieser Informationen und dem abstrusen Daten-Wirrwarr des RKI (Robert-Koch-Instituts) ist die Politik der deutschen Bundesregierung untragbar. Die Kollateralschäden der Corona-Maßnahmen übertreffen schon jetzt bei Weitem den (fragwürdigen) Nutzen. Angela Merkel kultiviert in Berlin einen politischen Monotheismus, dessen Direktive jeder logischen oder rationalen Grundlage entbehrt. Die Kanzlerin und ihr Gefolge scheinen blind gegenüber Alternativen. Wer sich gegen das offizielle Narrativ stellt, wird nicht ernst genommen oder diffamiert. Und wenn nur noch eine Meinung öffentlich akzeptabel ist, sollte die Demokratie alarmiert sein. Meinungs- und Deutungshoheit im gesellschaftspolitischen Diskurs sind ein weiteres Merkmal totalitären Denkens. Der geplante Bau eines zehn Meter breiten Grabens um den Reichstag in Berlin ist in diesem Zusammenhang geradezu ein Symbol für die Elfenbeinturm-Mentalität der deutschen Politik.   


Es bleibt zu hoffen, dass die Gesellschaft aus der Corona-Krise lernt und sich in der Zukunft explizit für Föderalismus, mehr direkte Demokratie und eine Amtszeitbeschränkung des Führungspersonals engagiert. Gewaltenteilung und Föderalismus sind das Bollwerk gegen faschistoide Tendenzen. Auch dem fortschreitenden Kooperatismus gilt es dringend ein Ende zu setzen. Die global zunehmende Verflechtung von Politik und Oligopolen unterminiert die Idee einer freien, aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft und führt uns in eine zentralisierte Technokratie. Auch wenn das Land derzeit im Chaos versinkt, mit dem Ruf nach Zentralismus und straffer Führung beschwört die Gesellschaft Geister herauf, die sie unter Umständen nicht mehr loswird.


»Da wir, gemessen an unserer Veranlagung, keine Nation bilden können, da wir, belehrt durch geschichtliche Erkenntnis und unserer kulturellen Vielgestalt bewusst, keine Nation bilden sollten, müssen wir endlich den Föderalismus als einzige Chance begreifen. Nicht als geballte Nation, nicht als zwei wider einander gesetzte Nationen, nur als friedlich wettstreitende Länderbünde können wir unseren Nachbarn in Ost und West Sicherheit bieten.« (Günter Grass)



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