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Die Panik-Prediger und ihr verängstigtes Gefolge

Wenn Freiheit Angst macht: Aus Furcht vor Verantwortung für das eigene Leben suchen viele Menschen nicht die Freiheit, sondern nur einen bequemeren Käfig.


Tom-Oliver Regenauer | 07.04.2021 | Lesezeit: 8 Minuten

»Man hat nur Angst, wenn man mit sich selber nicht einig ist.« (Hermann Hesse)


Angst lähmt. Ein Leben in Furcht ist das Gegenteil eines freien, erfüllten Daseins. Denn nicht nur der Körper muss ohne Einschränkungen gedeihen dürfen, auch die Gedanken müssen frei sein, um einer offenen Gesellschaft ihre Identität zu verleihen. Aber der moderne Mensch hat Angst. Mehr, als ihm lieb ist und mehr, als er seelisch und körperlich erträgt. Angst vor der Zukunft, vor Krankheiten, Krieg, Zuwanderung, Bindungen, gesellschaftlichem und finanziellen Bankrott, privaten Tragödien oder dem Tod. Der »Homo Consumens« hat Angst vor Überforderung, Desorientierung, Vergänglichkeit und der eigenen Unbedeutsamkeit. So tauscht er leichtsinnig seine Freiheit, seine Daten und seine Individualität gegen ein Quantum Trost, Aufmerksamkeit, Sicherheit oder Hoffnung.


»Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.« (Benjamin Franklin)


Der moderne Mensch ist unselbstständig geworden. Ohne technische Unterstützung scheint er sich kaum mehr in seinem eigenen Ökosystem zurechtzufinden. Er versteht nur noch bedingt, was um ihn herum passiert und wie er handelt. Und was er nicht versteht, das macht ihm Angst, vermittelt ihm ein Gefühl von Ohnmacht. Dabei ist ein Großteil der heute grassierenden Ängste anerzogen, antrainiert, produziert und damit irrational. Viele begründen sich vermutlich in der allgemeinen Überforderung des modernen Menschen – der beginnt, vor seiner eigenen Innovation zu kapitulieren.

Die offene Gesellschaft, offene Grenzen, offene Debatten, flache Hierarchien, freie Märkte, freie Berufswahl, freies Internet, freie Meinungsäußerung, freie Religionsausübung und freie Liebe sind eine veritable Herausforderung für den digital Degenerierten und Orientierungslosen. So viel Verantwortung kann einen das Fürchten lehren, wenn man nie gelernt hat, damit umzugehen. Eigenverantwortliches Handeln im gesellschaftlichen und historischen Kontext bedingt ein autonomes, ethisch-moralisches Wertesystem sowie die Fähigkeit, komplexe Fragestellungen reflexiv zu durchdringen, um das individuelle, sozialpolitische Kompass-Nord auszuloten. Und hat man diesen Kurs einmal gesetzt, ist die nächste Herausforderung, ihn auch gegen Mehrheiten zu verteidigen, wenn man von seinen Schlussfolgerungen und Entschlüssen überzeugt ist.


»Die Fähigkeit, das Wort „Nein“ auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit.« (Nicolas Chamfort)


Das Widersprechen aber scheint derzeit ebenfalls eine schwierige Aufgabe zu sein. Entweder, weil der desorientierte, überforderte und gleichgültige »Konsument« überhaupt nicht mehr weiß, was richtig oder falsch, was oben oder unten ist – oder weil er es ahnt oder weiß, sich aber nicht offen positionieren möchte. Lauert doch heutzutage Ächtung, Schmähung und Diffamierung an jeder Ecke. Das »Tabu« wird immer öfter zum Mittel des zwischenmenschlichen Erduldens. Selbst in Familien, Ehen und Freundschaften. Sobald aber bestimmte Themen in einer aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft nicht mehr schadlos angesprochen werden können, hat diese systemische Krebsgeschwüre im Endstadium. Und auch das macht vielen Angst. Zurecht. Sind doch Widerspruch, Debatte und konstruktives Streiten um Positionen sowie Mehrheiten der Kern der demokratischen Idee.


»Der Bürger hat das Recht und die Pflicht, die Regierung zur Ordnung zu rufen, wenn er glaubt, dass sie demokratische Rechte missachtet.« (Gustav Heinemann)


So werden Rufe nach mehr Staat und straffer Führung lauter. Die offene Gesellschaft will errungene Freiheiten und Verantwortlichkeiten wieder abgeben. Sie sind anstrengend und beängstigend geworden. Freiheit und Verantwortung wirken offensichtlich wie eine Last auf den Schultern der Desorientierten und scheinen ihnen Angst zu machen. Sie fühlen sich ganz wohl im Lockdown-Modus, wo es niemandem etwas zu beweisen und einfache Anweisungen zu erfüllen gilt.



Selbst die Maske wollen durchaus nicht wenige Menschen auch nach Corona weitertragen. Es kommt ihnen entgegen, ihr Gesicht nicht zeigen zu müssen. Selbstsicherheit oder Selbstbewusstsein müssen diesen Personen als Fremdwörter gelten. Das Individuum geht so vollends in der anonymen Menge auf. Als identitätsloses Rädchen in der konformistischen Verfügungsmasse. Das Individuum als bloße Nummer im System. Austauschbar und irrelevant. Nicht mehr nur im Internet, auch auf den ausgestorbenen, tristen Straßen der verwaisten deutschen Innenstädte, wo heute das gesichtslose Antlitz die auseinanderbrechende Gesellschaft charakterisiert.


»Wer wagt selbst zu denken, der wird auch selber handeln.« (Bettina von Arnim)


Der Mensch muss sich positionieren, um zu wissen, wohin er will. Er muss sich eine Meinung bilden, um etwas unterstützen oder ablehnen zu können. Die moderne Gesellschaft braucht somit keinen starken Staat, der Direktiven ausgibt. Die moderne Gesellschaft braucht eine starke Bürgerschaft, die selbst weiß, wie sie mit Zuwanderung, Korruption, Finanz- und Außenpolitik, Gesundheits-, Natur- und Datenschutz umgeht. Auf diesem Wege waren die westlichen Demokratien einmal. Heute entwickeln sie sich sozial und politisch wieder zurück in die feudal beherrschte Klassengesellschaft des Mittelalters. Und die Tentakel des allmächtigen Staates umfassen immer weitere Bereiche des Lebens.


Je mehr Angst die Bevölkerung hat, desto lauter ruft sie nach Hilfe, Erlösung und einem starken, fürsorglichen und zentralistischen Sozialstaat – auch, wenn dies schließlich den Weg ebnet für ungesunde Abhängigkeiten sowie eine zunehmende Unmündigkeit der Bürgerschaft. Die Rolle des Souveräns scheint Bevölkerung und Gesellschaft nicht mehr das höchste Gut der Demokratie zu sein.

Es stimmt nachdenklich, dass vielen Menschen schon das alltägliche Leben Angst macht, dass sie sich von Panikmache vereinnahmen und von Urängsten zerfressen lassen. Viel schlimmer ist jedoch, dass diese Entwicklungen von den Regierenden in Kauf genommen oder gar mutwillig forciert werden.


Die Corona-Krise macht deutlich, dass ein subjektives Gefühl von Sicherheit einem Großteil der Menschen wichtiger ist als die eigenen Grundrechte, eine freie Lebensgestaltung oder die unbeschwerte Zukunft ihres Nachwuchses. Wie schon Albert Camus anmerkte, »gibt es keine Freiheit ohne gegenseitiges Verständnis«. Es gilt also, die Angsttreiberei zu stoppen oder wenigstens zu ignorieren, um die Ängstlichen wieder zum Leben ermutigen zu können. Denn wer aus Angst vor dem Tod nicht leben will, ist bereits gestorben. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Wer das behauptet, lügt. Und auch Krankheiten gehören zum Leben, aus den meisten lernen wir. Vertrauen auf die Fähigkeiten des körpereigenen Immunsystems wäre angebracht, ebenso wie Informationen und Schritte, die helfen, es zu stärken.


Bedauerlicherweise tun Politik und Medien zumeist das Gegenteil. Anstatt sachlich und lösungsorientiert zu führen, neutral zu berichten und rationale Entscheidungsprozesse transparent zu machen, werden Ängste geschürt, Panik verbreitet und immer neue Horrorszenarien postuliert. Dass dieses Vorgehen durchaus gewollt ist, hat bereits das sogenannte »Panik-Papier« des Bundesinnenministeriums gezeigt, ein Strategie-Papier und Kommunikationskonzept, das der Bundesregierung explizit empfiehlt, Ängste zu schüren, um bestimmte politische Ziele zu erreichen. Und man konnte im Laufe der Corona-Krise deutlich erkennen, dass sich die Entscheider hinsichtlich Öffentlichkeitsarbeit in großen Teilen an diesen Ratschlägen orientierten.


»Politik machen: Den Leuten so viel Angst einjagen, dass ihnen jede Lösung Recht ist.« (Wolfram Weidner)


Die nackten Zahlen zeigen, dass Panik in Bezug auf COVID-19 nicht angebracht ist. Es wäre wünschenswert, dass sich die Bevölkerung eingehender mit Rohdaten und realen Risiken des Virusgeschehens befasst, anstatt nur mit der regierungsnahen Auslegung und Interpretation von Leit- und Massenmedien. Dann wäre sie in der Lage, selbst abzuwägen und differenziert zu bewerten.


Nur wer sich im Detail mit den Fakten eines Themenkomplexes beschäftigt, versteht es, die eigene Situation realistisch und vernunftbasiert zu erfassen und sich gegenüber potenziellen Risiken werteorientiert zu positionieren. Wer mit sich selbst im Reinen ist, handelt vernünftig. Das unterstreicht schon das eingangs angeführte Zitat von Hermann Hesse. Wer jedoch nur auf Basis der politisch-medialen Angsttreiberei entscheidet, lässt sich von irrationalen Gefühlswallungen beeinflussen und leiten, anstatt von seiner individuellen, logisch-rationalen Risikobewertung – und Angst führt selten zu sinnvollen Entscheidungen.


Zudem muss man die Aufrichtigkeit der Politik im Allgemeinen hinterfragen. Ein Großteil der Bevölkerung ist sich bewusst, dass Politik von Lobbyismus durchdrungen, korrupt und meist auf den eigenen Vorteil und Machterhalt bedacht ist – trotzdem schenken die Menschen der Politik Vertrauen, wenn es um die Krise geht; ohne zu bedenken, dass die Gesundheit der Bevölkerung den Mächtigen in der Vergangenheit kaum wichtig gewesen sein kann. Wie sonst ist die desaströse Gesundheitspolitik, das miserable Krankenhaus-Management und der generelle Rückbau des Gesundheitswesens der vergangenen Dekaden zu erklären?


Um einen gesamtgesellschaftlich verträglichen Weg aus der Corona-Krise und vor allem Lösungen für ihre verheerenden, sozioökonomischen Folgen zu finden muss daher gelten: Keine Panik! Denen, die sie verbreiten und instrumentalisieren, muss man misstrauen. Denn sie nutzen Angst und Urinstinkte für die Umsetzung von fragwürdigen, politischen Zielen – und denen, die sich von Angst überwältigen und leiten lassen, muss von den Mutigen, Vernünftigen und Zuversichtlichen geholfen werden.

 

»Ein großer Teil der Sorgen besteht aus unbegründeter Furcht.« (Jean Paul Sartre)


Beitrags-Foto: Pawel Czerwinski

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