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Rote oder blaue Brille?

Eine Betrachtung zum Thema »Was ist Erfolg?«, zuerst publiziert in der Print-Ausgabe #7/23 der Schweizer Monatsschrift »Die Freien« (>). Welches Thema wäre besser geeignet, um den hiermit 100. Textbeitrag meines Blogs zu zelebrieren.




Tom-Oliver Regenauer | 23.07.2023


Drei kräftezehrende Jahre lang haben wir ihn vehement verteidigt, uns vor ihm aufgebaut, unsere schützende Hand über ihn gehalten, um ihn vor Lügen, Propaganda und publizistischem Schmutz zu bewahren, den massenmediale Muldenkipper vor seinen schmaler werdenden Zugängen abgeladen haben – den Debattenraum. Zeit, Bilanz zu ziehen. Zeit, sich zu fragen, was das alles gebracht hat. Scheint unser Habitat doch trotz dieses selbstlosen Engagements von Idealisten zum Dystopia einer oktroyierten Zeitenwende zu verkommen.

 

Quartalsberichte, Umsatzkennzahlen, Marktanteile, Seitenaufrufe, Return on Investment (ROI): auf Basis derartiger »Key Performance Indicators« (KPI) würde man den Erfolg neuer Medien im Management bewerten. Vermutlich sähen entsprechende Statusberichte ganz passabel aus. Denn nie zuvor in der Zivilisationsgeschichte hatte die »fünfte Gewalt« mehr Zulauf, mehr Publikum, mehr Relevanz und mehr Momentum als in den zurückliegenden drei Jahren. Nie zuvor im Postfaktum des Medienzeitalters haben mehr Menschen weltweit gleichzeitig nach alternativen Informationsquellen, objektiver Berichterstattung und intellektueller Einordnung des Zeitgeschehens gesucht als im Zuge der Corona-Krise. Und dieser Trend setzt sich in Anbetracht des zusehends eskalierenden Ukraine-Konflikts, der postulierten Klima-Apokalypse oder dem dunkelgrünen Klassenkampf von oben ungehindert fort.

 

Nun greift der Ansatz, den Erfolg der fünften Gewalt nach rein betriebswirtschaftlichen Kriterien bewerten zu wollen, natürlich zu kurz. Denn obschon auch neue Medien und außerparlamentarische Opposition kostendeckend arbeiten oder infrastrukturelle Fixkosten bewältigen müssen, ist monetärer Erfolg selten Primärantrieb der Initiatoren. Für sie steht zumeist gesellschaftlicher »Impact«, also der Wirkungsgrad ihres Handels im Fokus. Sie interessieren sich für den Effekt, den ihre Arbeit auf das sozioökonomische Umfeld, auf Politik und Kulturbetrieb hat. Für das Echo, das ihr Wirken im öffentlichen Raum evoziert. Naturgemäß sind dergestalt Resultate ungleich schwerer quantifizierbar als unternehmerische Triumphe, die sich in Kontoauszügen und Bilanzen niederschlagen.

 

Zudem ist Erfolg stets abhängig vom eigenen Anspruchsdenken sowie der individuellen Perspektive. Für Tagediebe und Faulenzer mag es schon ein Erfolg sein, sich trotz akuter Unlust pünktlich zur Arbeit eingefunden zu haben, während der getriebene Workaholic trotz ambitioniertem Tagespensum auch nach zwölf Stunden Maloche noch nicht vom Gefühl der Zufriedenheit beschlichen wird. Für die Massai in Kenia ist es bereits ein Segen, wenn nachts keine der wertvollen Dorfziegen vom Löwen gerissen wurde. Für eine in bitterer Armut lebende Familie im Sudan heißt Glück, dass ausnahmsweise mal niemand Hunger oder Durst leiden muss. Und für die Bewohner eines von Bombenhagel heimgesuchten Kriegsgebietes ist jeder weitere Tag, an dem man dem Tod von der Schippe gesprungen ist, ein großer Erfolg.

 

Wie also ist das Erreichte zu bewerten? Wohin haben das Engagement von Corona-Maßnahmenkritik, Bürgerrechtsbewegung und fünfter Gewalt geführt? Welche Resultate hat der zum Teil massive Arbeitsaufwand der außerparlamentarischen Opposition gezeitigt? Zunächst ist diesbezüglich einzuräumen: ja, es hätte durchaus besser laufen können – aber eben auch deutlich schlechter. Immerhin waren die Schweiz und Schweden diejenigen Länder, in denen die mildesten Corona-Maßnahmen herrschten. Kein Vergleich mit Australien, wo das Regime eine strikte Zero-Covid-Strategie verfolgte, der österreichischen Impfpflicht oder Deutschland, wo man die Bevölkerung deutlich länger mit faschistoiden 2G-Reglements, Ausgangssperren und ausufernder Maskenpflicht gängelte.

 

Natürlich wäre es erfreulich gewesen, hätte man das hiesige Covid-Gesetz bereits mit der Volksabstimmung im November 2021 ad acta legen können. Selbstverständlich wäre es zu begrüßen gewesen, hätten sich noch mehr Menschen mit den kritischen Stimmen in punkto mRNA-Technologie beschäftigt, anstatt blindlings der Propaganda mafiöser Pharma-Kartelle und usurpierter Massenmedien anheim zu fallen. Auf der anderen Seite haben hierzulande im November 2021 über 40 Prozent an der Urne gegen das Covid-Gesetz votiert. In der Alterskohorte unter 30 wäre es abgelehnt worden. Zu einem Zeitpunkt, als offizielle Stellen den kritischen Anteil der Bevölkerung beim nördlichen Nachbarn auf maximal 20 Prozent beziffern wollten. Und in Liechtenstein stimmten schon letzten September 52,7 Prozent der Wähler gegen die gesetzliche Grundlage für segregierende 2G-Reglements.

 

»Erfolg hat nur, wer etwas tut, während er auf den Erfolg wartet«, konstatierte dereinst der Erfinder Thomas Alva Edison. Das gilt im Zuge der Corona-Krise speziell für die Sprache. Denn sie war das erste Opfer dieses korporatistisch orchestrierten Social-Engineering-Experiments, dessen Primärziel darin bestand, flächendeckenden Konformismus zu erzeugen. Eine perverse Umdeutung tradierter Begrifflichkeiten ungekannten Ausmaßes griff Raum. Wörter wie Solidarität und Freiheit wurden ad absurdum geführt und ihrer Definition beraubt. Und die »Lämmer schwiegen« (R. Mausfeld, 2015). So ist davon auszugehen, dass ohne die Arbeit der neuen Medien und kritischen Netzwerke nicht nur das System deutlich autoritärer operiert hätte. Auch die Sprache hätte sich noch extremer in Richtung orwellscher Neusprech entwickelt.

 

Der französische Schriftsteller und Philosoph Michel de Montaigne (1533 – 1592) gab diesbezüglich zu bedenken:

 

»Da wir uns miteinander nur durch das Wort zu verständigen vermögen, verrät, wer es fälscht, die menschliche Gemeinschaft. Es ist das einzige Mittel, durch das wir unsern Willen und unsere Gedanken austauschen, es ist der Mittler unserer Seele. Wenn wir es verlieren, so haben wir keinen Zusammenhang und keine Kenntnis mehr voneinander. Wenn es uns betrügt, so zerstört es allen unseren Umgang und zerreißt alle Bande unserer Gesellschaft

 

Die maßnahmenkritische Bewegung der Schweiz kann sich demnach guten Gewissens auf die Fahnen schreiben, durch ihren Verve eine Gegenöffentlichkeit erzeugt zu haben, die sich Gehör verschaffen und Schlimmeres verhindern konnte. Gleiches gilt im Übrigen für Deutschland, wo der Staat ohne den unermüdlichen Einsatz der freien Medien zweifelsohne deutlich weiter gegangen wäre. Quarantäne-Lager, Impfpflichten und Zero-Covid-Konzepte nach chinesischem Vorbild hatte man auch dort in Erwägung gezogen – und zum Teil bereits vorbereitet.

 

Ja, die Biosicherheitsdoktrin der »vierten industriellen Revolution« konnte nicht gänzlich gestoppt werden. Die invasive »One-Health«-Agenda, ein billiger Euphemismus für die Abschaffung der »souveränen Autonomie des Individuums« (F. Nietzsche, 1887) unter dem Deckmantel der Volksgesundheit, läuft weiter. Die WHO arbeitet unbeirrt an einem neuen Pandemie-Abkommen, das der demokratisch nicht legitimierten, supranationalen Organisation bei Ratifizierung eine nie dagewesene Machtfülle zuschreibt. Auch die fragwürdigen mRNA-Injektionen sind längst nicht endgültig vom Tisch. En contraire – die Technologie soll nun auch gegen Krebs und andere Krankheiten in Stellung gebracht werden. Und der Starttermin für eine ehrliche Aufarbeitung der Verbrechen, die im Zuge der vermeintlichen Pandemie begangen wurden, steht ebenfalls noch in den Sternen.

 

Manch ein Erfolg mag nicht ohne weiteres greif- oder quantifizierbar sein. Und das Ideal ist kaum jemals zu erreichen. Hin und wieder bemisst sich ein Erfolg aber auch schlicht daran, was in Anbetracht der denkbaren Szenarien alles nicht eingetreten ist. Zudem dürfte zumindest ein Umstand von allen Mitgliedern der oppositionellen Kräfte wohlwollend goutiert werden – dass im Verlauf der zurückliegenden drei Jahre unzählige Menschen zueinander gefunden haben, die sich ohne diese Krise(n) nie begegnet wären. So entstand das Fundament für eine humanere, dezentralere und freiheitlichere Gesellschaft, an der es nun mit neuem Elan weiterzuarbeiten gilt. Für die Zukunft. Gegen Tyrannei.

 

Ich für meinen Teil habe noch nie zuvor in meinem Leben und in so kurzer Zeit so viele neue, wertvolle Kontakte mit Gleichgesinnten geknüpft, so viele bereichernde Menschen kennengelernt. Dieser Umstand ist fraglos ein massiver Zugewinn an Lebensqualität. Und als größten persönlichen Erfolg der vergangenen Jahre verbuche ich für mich die Tatsache, dass ich an potenzielle Erfolge, oder Misserfolge, keinerlei Gedanken mehr verschwende. Ich mache einfach das, was mir in diesem Moment richtig und wichtig erscheint, während ich darauf warte, dass sich Erfolge einstellen. Bleiben diese aus, hat man zumindest Gewissheit, das Menschenmögliche dafür getan zu haben.

 

Zudem bin ich im Falle eines Scheiterns längst mit neuen Ideen, Projekten oder Wissbegierigkeiten beschäftigt. Daher ist in meinem Leben schlichtweg selten Platz für negative Empfindungen. Früher bezeichnete man Menschen, die keiner geregelten Erwerbsarbeit nachgehen, gerne als Lebenskünstler. Und tatsächlich scheint das Leben viel mit einem Kunstwerk oder der Arbeit an einem solchen gemein zu haben. Lebt sich das Leben doch am unbeschwertesten, wenn man seine wie auch immer gearteten Werke mit Hingabe und Herzblut vollendet – um nach ihrer Fertigstellung keinen Gedanken mehr daran zu verschwenden. Denn es sind nun nicht mehr die eigenen. Man hat sie der Öffentlichkeit, der Welt, der Zeit übergeben und ihnen damit Eigenleben verliehen. Sie gehören jetzt allen. Und niemandem.





Bild: Die Freien





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