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Das »arabische Problem«

Moses Hess war ein Vordenker des Zionismus und Sozialismus. Er begeisterte Marx und Engels für diese politischen Konzepte und galt der SPD, die er zu gründen half, als »Vater der Deutschen Sozialdemokratie«. Doch Hess inspirierte auch radikale Zionisten wie Herzl und Jabotinsky, der Palästina als »koloniales Abenteuer« sah. Die geistigen Nachfahren dieser Fanatiker haben mittlerweile aber nicht nur Palästina, sondern auch Politik, Medien und den digitalen Raum kolonisiert, um ihr »arabisches Problem« zu lösen.






Tom-Oliver Regenauer | 13.11.2025




Während das Vorgehen der israelischen Regierung in Gaza die Gemüter weltweit erhitzt, scheinen viele Zeitgenossen noch immer nicht imstande, zwischen Judentum, Israelis, israelischer Regierung und Zionismus unterscheiden zu können. Obwohl sich schon auf der Internetpräsenz des Anne Frank Hauses eine simple Definition findet, der unter anderem zu entnehmen ist, dass »Zionisten an das Existenzrecht eines jüdischen Staates glauben. Das können sowohl gläubige als auch nicht-gläubige Juden sein, ebenso wie Nichtjuden«. Und Letzteres ist entscheidend. Denn der Zionismus ist eine segregative »Nationalbewegung« und »ethnonationalistische Ideologie«, deren erklärtes Ziel seit jeher die Errichtung eines Nationalstaats in Palästina ist – eines Nationalstaats, der Menschen jüdischer Abstammung vorbehalten ist. Ob diese gläubig sind oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Zionismus ist demnach als Rassenlehre zu verstehen.

 

Genau deshalb hat diese Ideologie in den Augen orthodoxer Juden (Abb. 1) nichts mit dem jüdischen Glaubensbekenntnis zu tun – und Kritik am Zionismus oder Israels Regime infolgedessen nichts mit Antisemitismus. Spaltung und Diffamierung über diesen argumentativen Strohmann können also nur auf Unwissen, Ignoranz, Dummheit oder Vorsatz zurückzuführen sein.

 

Das zeigt sich schon daran, dass es heutzutage mehr christliche und atheistische Zionisten gibt als solche, die dem jüdischen Glaubensbekenntnis folgen – und eine beachtliche Anzahl antisemitischer Zionisten. Allein in den USA sind laut einer Umfrage der christlichen Organisation »LifeWay Research« etwa 80 Prozent der Evangelikalen Anhänger des christlichen Zionismus. Und die 2006 gegründete Gruppierung »Christians United for Israel« (CUFI) hatte schon 2020 gut sieben Millionen Mitglieder. Selbst Ikonen des exklusiv-nationalistischen Zionismus wie Theodor Herzl, Wladimir Jabotinsky oder David Ben-Gurion hatten mit Religion wenig am Hut – auch wenn die vom rechtsradikal-zionistischen Likud geführte und von Fanatikern durchsetzte Regierung Netanyahus gerne diesen Eindruck erweckt. Der internationale Zionismus nutzt das Judentum lediglich als Schutzschild. Wer Israel kritisiert, in welcher Art und Weise auch immer, wird reflexartig als »Antisemit« diffamiert. Das räumte Shulamit Aloni, in ihrer Jugend Mitglied der zionistischen Jugendbewegung Hashomer Hatzair sowie der paramilitärischen Untergrundorganisation Hagana und unter Jitzhak Rabin Ministerin für Bildung, Kommunikation, Wissenschaft und Kultur in einem Interview aus dem Jahr 2002 ganz offen ein:


»Nun, es ist ein Trick. Den verwenden wir immer, wenn jemand aus Europa Kritik an Israel äußert. Dann bringen wir den Holocaust ins Spiel. Wenn Menschen hier im Land Israel kritisieren, dann sind sie Antisemiten. Und die Organisation ist stark und hat eine Menge Geld. (...)   Die haben Macht. Und das ist okay. Es sind talentierte Leute. Die haben Macht, Geld und Medien und andere Dinge. Und ihre Einstellung ist: „Israel ist mein Land, ob es richtig liegt oder nicht“. Die sind nicht bereit, Kritik zu akzeptieren. Und es ist sehr einfach, Menschen, die gewisse Aktivitäten der israelischen Regierung kritisieren, als Antisemiten zu bezeichnen und den Holocaust und das Leiden des jüdischen Volkes ins Spiel zu bringen – damit rechtfertigen wir alles, was wir den Palästinensern antun

 

So erklärte die israelische Zeitung Haaretz am 21. Januar 2017 auch völlig zurecht, dass sich »Israel vom atheistischen Zionismus zum jüdischen Staat entwickelte« – zu einem rechtsradikalen, segregativen, nicht-säkularen Machtkonstrukt, das nicht nur in den Augen des israelischen Philosophen Omri Boehm »nicht mit humanistischen Werten vereinbar ist«.

 

Wer macht Macht?

 

Nachdem das geklärt und mittlerweile auch jedem halbwegs informierten Leser bewusst ist, welch massiven Einfluss aggressiv-zionistische Organisationen wie AIPAC (American Israel Public Affairs Committee) oder ADL (Anti-Defamation League) nicht nur auf die US-Politik haben, stellt sich die Frage, woher die Überzeugungen des modernen Zionismus seit etwa 1850 rühren – und wie lange sie schon Einfluss auf den vermeintlich demokratischen Politbetrieb der Gegenwart nehmen. Immerhin schrieb die Boston Review am 23. Mai 2019 in Bezug auf die 1913 gegründete ADL:


»Die Macht der ADL, gegen schwarze Führungskräfte zu mobilisieren, beruht nicht auf der Ausnutzung von Ängsten vor Antisemitismus. Sie stützt sich vielmehr auf die weitaus umfassendere Autorität, die die ADL im Kampf gegen rassistischen, fremdenfeindlichen und queer-feindlichen „Hass“ erlangt hat. Es handelt sich um eine quasi-staatliche Rolle, die die ADL in den 1980er Jahren innerhalb eines Jahrzehnts entwickelte (...).«

 

Thomas Woodrow Wilson, von 1913 bis 1921 der 28. Präsident der Vereinigten Staaten, erklärte auf Seite zwölf seines im Jahr 1913 publizierten Buches »The New Freedom«:


»Seit meinem Einstieg in die Politik wurden mir die Anliegen von Personen vor allem im Vertrauen mitgeteilt. Einige der einflussreichsten Männer in den Vereinigten Staaten – im Bereich Handel und Industrie – fürchten jemanden oder etwas. Sie wissen, dass es da irgendwo eine Macht gibt, die so organisiert, so subtil, so wachsam, so eng verflochten, so allumfassend und so durchdringend ist, dass sie besser nur leise sprechen, wenn sie diese kritisieren

 

Während Wilson die Antwort auf die Frage, um welche »Macht« es sich dabei genau handelt, auch nach acht Seiten ähnlich gelagerter Andeutungen schuldig bleibt, ist durchaus wahrscheinlich, dass er sich auf den angloamerikanischen Zionismus transatlantisch vernetzter Finanzeliten bezog – jener Eliten um Alfred Milner, Edward Grey, William T. Stead und Lionel Curtis, die mittels der von Cecil Rhodes gegründeten Round Table Bewegung seit Ende des 19. Jahrhunderts die geopolitischen Verhältnisse zu ihren Gunsten manipulierten und uns in Konsequenz die stets potenter werdende Global Governance supranationaler Organisationen bescherten. Bezeichnend, dass 1913 auch der Federal Reserve Act verabschiedet wurde, der die bis dahin finanziell weitgehend unabhängigen USA wieder unter die Knute einer von britischem Kapital dominierten Zentralbank zwang.

 

Während Cecil Rhodes im Auftrag der britischen Rothschilds agierte, um in Afrika mit De Beers ein Monopol für Diamanten zu schaffen, agierte Wilson im Auftrag von Edward Mandell House, einem diskreten wie mächtigen »Einflüsterer« und Schattendiplomaten, der Wilson ab 1911 beriet, jeden Ministerposten in dessen Kabinett ablehnte, den US-Präsidenten 1917 bis 1919 bei den Pariser Friedensverhandlungen vertrat und obendrein freies Quartier im Weißen Haus genoss. Mandell House pflegte engste Verbindungen zu Politikern, Oligarchen, Imperialisten und Eugenikern in Europa und vor allem Großbritannien, wo er primär von Edward Grey, dem damaligen britischen Außenminister beeinflusst wurde, der als Schlüsselfigur der Round Table Bewegung wiederum intimster Vertrauter des britischen Königshauses, der Fabian Society und der Bankiersdynastie Rothschild war.

 

Ursprünge von modernem Zionismus und Sozialdemokratie

 

So verwundert es kaum, dass »Colonel« House 1912 eine Novelle mit dem Titel »Philip Dru: Administrator« veröffentlichte, in der der Hauptdarsteller den demokratischen Westen der USA in einen Bürgerkrieg mit dem plutokratischen Osten führt, um sich anschließend zum Diktator aufzuschwingen und Amerika in »den Sozialismus« zu führen, »von dem Karl Marx träumte«. Denn damit folgte Edward Mandell House den Gedanken, die Moses Hess, ein 1812 in Bonn geborener Vordenker des Sozialismus und Zionismus einst in seinen zahlreichen Aufsätzen und Büchern artikulierte. In Arbeiten, ohne die die Entstehung der Fabian Society, der britischen Arbeiterpartei (Labour) und damit auch der britischen Sozialdemokratie sowie ihres Dritten Weges als Blaupause für die Herrschaftssysteme des heutigen Wertewestens schwer denkbar ist.

 

Bereits in seinem zweiten Buch, »Die Europäische Triarchie«, das 1841 erschien, sprach sich Hess für eine progressive Allianz von Frankreich, England und Deutschland aus, die sich gegen das »reaktionäre Reservoir Russland« stellen und die Menschheit in ein sozialistisches Utopia führen sollte. Das Buch verband deutsche Philosophie mit französischer Politik und den sozioökonomischen Konzepten Großbritanniens und avancierte zu einem Grundpfeiler des Marxismus. Ebenfalls 1841 wurde Moses Hess zur zentralen Figur bei der Gründung der Rheinischen Zeitung, wo ein junger, von Hess‘ Ideen begeisterter Karl Marx seine ersten Schriften veröffentlichte, um Hess kurze Zeit später als Chefredakteur abzulösen. Neben Karl Marx kam auch Friedrich Engels das erste Mal durch Moses Hess mit den politischen Konzepten von Sozialismus und Kommunismus in Kontakt – woraufhin Engels 1842 offiziell zum Kommunismus »konvertierte«.

 

Im Jahr 1844 verfasste Moses Hess mit »Ein kommunistisches Geständnis in Frage und Antwort« außerdem die Vorlage von Karl Marx‘ »Manifest der Kommunistischen Partei«, in dem sich mehr als einmal wörtliche Übereinstimmungen mit Hess‘ Arbeiten finden. Kein Zufall also, wenn der Verleger und Publizist Reinald Schröder auf seiner Webseite schreibt, dass »man mit Fug und Recht behaupten kann, dass der Marxismus von drei Männern geschaffen wurde: zuvorderst von Engels, dann von Hess und zum geringsten Anteil durch den Namensgeber« – wobei Schröder bei Erstellung seiner Rangfolge wohl übersehen hat, dass Engels erst durch Hess an das Thema herangeführt wurde, was diesem klar auf den ersten Platz verhilft.

 

Im Jahr 1862 veröffentlichte Moses Hess ein weiteres weltgeschichtlich prägendes Buch mit dem Titel »Rom und Jerusalem – die letzte Nationalitätsfrage«. Dieses schon seinerzeit kontrovers diskutierte Werk entlarvte Hess als »jüdischen Nationalisten«. Vor allem jedoch schuf »Rom und Jerusalem« die intellektuellen »Grundlagen für den modernen Zionismus«. Denn die Kernthese des Buches bestand darin, dass die Juden nicht einfach eine Glaubensgemeinschaft darstellen, sondern eine Nation.


Hess argumentierte, dass »der deutsche Antisemitismus kein Überbleibsel mittelalterlicher, religiös geprägter Vorurteile sei, sondern ein moderner Rassenantagonismus, der weder durch Konversion noch durch kulturelle Integration überwunden werden könne. Gestützt auf die in den 1850er Jahren aufkommende Rassenlehre definierte Hess die Juden als eine der ursprünglichen, primären Rassen der Menschheit, deren nationaler Charakter unveränderlich sei. Da Juden in Europa stets als Fremde galten, blieb ihnen als einziger Ausweg die Wiedererlangung ihrer nationalen Identität. Hess träumte von der Wiedererrichtung eines jüdischen Staates in Palästina. Diese nationale Wiederbelebung war jedoch untrennbar mit seinen sozialistischen Prinzipien verbunden. Die neue jüdische Gesellschaft sollte nicht auf bürgerlichem Individualismus, sondern auf mosaischen Prinzipien beruhen, die er als sozialdemokratisch definierte. Das Land sollte gemeinschaftlich besessen werden und Landwirtschaft, Industrie und Handel sollten nach genossenschaftlichen Prinzipien organisiert sein, um eine gerechte und egalitäre Gesellschaft zu schaffen.« 

 

Moses Hess sah (S. 236, 240) den Zionismus nicht als rein jüdische Angelegenheit, sondern positionierte dessen Aufgabe im Kontext des europäischen Nationalismus, wenn er argumentierte (S. 44), dass »Frankreich mit seiner Tradition nationaler Befreiung« und seinem »Interesse« am von Lionel Nathan de Rothschild maßgeblich finanzierten »Suez Kanal der natürliche Patron eines neuen jüdischen Commonwealth« sei. So sahen das wohl auch die Rothschilds, die seit dem späten 19. Jahrhundert Geld für israelische Kolonien in Palästina spendeten und dem Land 1958 sogar das Parlamentsgebäude, die Knesset, finanzierten.

 

Moses Hess engagierte sich bis zu seinem Tod im Jahr 1875 für den Zionismus und seine Vision eines »utopischen Sozialismus«. Er arbeitete für die 1864 in London gegründete Internationale Arbeiterassoziation, genannt Erste Internationale, wo er häufig als Karl Marx‘ persönlicher Repräsentant auftrat und verfasste zahlreiche Artikel über jüdischen Nationalismus, Geschichte und Messianismus, um die Argumente von »Rom und Jerusalem« zu untermauern. Begraben wurde Moses Hess in Deutz bei Köln, wo die SPD, die er zu gründen half – eine historische Begebenheit, die von der deutschen Wikipedia im Gegensatz zur englischen übrigens unterschlagen wird – den Satz »Vater der Deutschen Sozialdemokratie« auf seinem Grabstein eingravieren (S. 7) ließ.

 

1961 wurden die sterblichen Überreste von Hess nach Israel überführt. Dafür erinnert eine von 124 Figuren auf dem Kölner Ratsturm an ihn – und die Bezirksvertretung seiner Geburtsstadt Bonn beschloss im Dezember 2023, Moses Hess mit einem Denkmal am Rheinufer zu würdigen. In Anbetracht des unsäglichen Leids, das die von Hess maßgeblich inspirierten Herrschaftsideologien des Zionismus, Sozialismus und Kommunismus über die Welt brachten – und bringen – eine mehr als fragwürdige Entscheidung. Nicht von ungefähr erklärte der militante Zionist Wladimir Zeev Jabotinsky, der Verbindungen zum britischen Geheimdienst MI6 pflegte, in seinem Buch »Die Jüdische Legion im Weltkrieg«, dass Hess eine jener historischen Persönlichkeiten sei, denen der Zionismus die 1917 unterschriebene Balfour-Erklärung zu verdanken habe: »Die Balfour-Deklaration verdanken wir sowohl Herzl als auch Rothschild, sowohl Pinsker als auch Hess«.

 

Jabotinsky wiederum haben wir unter anderem die Gründung (S. 19) des »Bundes der Zionistischen Revisionisten« im Jahr 1925 und der extremistisch-zionistischen Jugendorganisation Betar im Jahr 1923 zu verdanken (S. 133). Betar ist eine gewaltbereite Gruppierung, die »als Vorläufer von Parteien wie Cherut und Likud betrachtet werden kann« und deren subversive wie rassistische Umtriebe unter Trump 2.0 unlängst Gegenstand einer knapp 50-minütigen und sehenswerten Dokumentation von The Grayzone waren. Das Nachrichtenportal berichtete bereits am 24. August 2016 darüber, wie »gewalttätige jüdische Extremisten von Außenseitern zum rechten Mainstream Frankreichs avancierten«.


Noch im Juni 2025 wies die taz darauf hin, dass Betar USA im Juni 2023 neu gegründet wurde und mittlerweile auch ein Ableger in Deutschland existiert, der »selbst mit der AfD keinerlei Berührungsängste hat«.

 

Zionistische Theorie

 

Die Gewaltbereitschaft von Jabotinskys Organisation überrascht nicht wirklich, wenn man weiß, das gerade der zionistische Revisionismus der 1920er stark von Mussolinis Faschismus in Italien inspiriert war. Siehe Artikel der Haaretz vom 20. Juli 2019 mit dem Titel »Als die Juden Mussolini verehrten und Nazis unterstützten: Lernen Sie Israels erste Faschisten kennen«. Jabotinsky sah im faschistischen Italien eine aufstrebende Macht, die er als natürlichen Alliierten verstand (S. 150). So gründete er 1934 und in Abstimmung mit Benito Mussolini die Betar Naval Academy in Civitavecchia (Italien), um Kadetten aus aller Welt für die israelischen Seestreitkräfte auszubilden. Groß-israelisch orientierte Revisionisten wie Jabotinsky berufen sich auf die ursprünglichen Ziele des Zionismus und lehnen jegliche Kompromisse mit der arabischen Bevölkerung hinsichtlich der jüdischen Besiedlung Palästinas ab.

 

Nachzuvollziehen ist diese Position unter anderem in Jabotinskys 1923 für Rasswet, eine zionistische Zeitschrift und zunächst auf russisch publizierten Essay »Die Eiserne Mauer (Wir und die Araber)«. Jabotinsky war der Ansicht, dass die arabische Bevölkerung Palästinas niemals freiwillig eine jüdische Mehrheitsbevölkerung akzeptieren würde und für die Übernahme ihres Landes seitens der Zionisten auch keine »Gegenleistung« zu erbringen sei. Daher müsse die zionistische Kolonisierung entweder aufhören – oder ohne jegliche Rücksicht auf die einheimische Bevölkerung vorangehen. Und Zweiteres ist augenscheinlich der Fall. Diese »versteckten Wurzeln von Israels faschistischer Vergangenheit« waren unter anderem Thema eines Beitrags des Middle East Monitor vom 27. Januar 2020. Obwohl man in Anbetracht von Betars Aktivitäten in den Vereinigten Staaten und dem fortgesetzten Genozid in Gaza wohl kaum noch von einer »faschistischen Vergangenheit« sprechen kann.

 

Eine Woche nach »Die Eiserne Mauer« veröffentlichte Jabotinsky eine Ergänzung mit dem Titel »Die Ethik der eisernen Mauer«. Darin erklärte er:


»Es ist ein Akt einfacher Gerechtigkeit, denjenigen Nationen einen Teil ihres Landes zu entfremden, die zu den großen Landbesitzern der Welt gehören, um einem heimatlosen wandernden Volk einen Zufluchtsort zu geben. Und wenn ein solch großes Land besitzendes Volk sich widersetzt, was ganz und gar normal ist, muss es mit Zwang dazu gebracht werden, zuzustimmen. Gerechtigkeit, die mit Zwang durchgesetzt wird, hört nicht auf, Gerechtigkeit zu sein. Dies ist die einzige Politik gegenüber den Arabern, die wir für möglich halten. Was Verträge betrifft, werden wir später Zeit haben, darüber zu diskutieren

 

Im Lichte solcher Statements ist es umso verwerflicher, wenn Betar USA sich auf der eigenen Webseite bis heute offen zur Ideologie von Jabotinsky bekennt und Schlüsselfiguren der Organisation in der Grayzone-Dokumentation damit prahlen, für »die meisten« von der Trump-Regierung durchgeführten Deportationen wegen Antisemitismus verantwortlich zu sein. Denn Ikonen des Zionismus wie Jabotinsky machten – im Gegensatz zu heutigen Lobbyorganisationen wie AIPAC und ADL – nie einen Hehl daraus, dass es sich bei der Schaffung des Staates Israel um ein Kolonisierungsprojekt handelt, das die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung voraussetzt. Ihre Organisationen trugen die Absicht meist schon im Namen: Jewish Colonisation Association (1891), Palestine Jewish Colonisation Association (1924), Jewish Colonial Trust alias Jüdische Kolonialbank (1899, heute Bank Leumi) oder die Abteilung Kolonialisierung der Jewish Agency for Israel (1929), heute die weltweit größte NGO der World Zionist Organization (WZO), welche 1897 von Theodor Herzl gegründet wurde.

 

Wladimir Jabotinsky erklärte unumwunden: »Zionismus ist ein koloniales Abenteuer«. Theodor Herzl nannte das zionistische Projekt 1902 in einem Brief an Cecil Rhodes, der die Apartheid mit dem Glen Grey Act 1894 in Südafrika erst erfunden hatte, »etwas Koloniales«. 1896 sprach Herzl von »wichtigen kolonialen Experimenten«, die derzeit in Palästina stattfänden (Abb. 3, 4). Am 3. September 1897, beim Zionistenkongress der WZO in Basel, schrieb (S. 15) Herzl: »In Basel habe ich den jüdischen Staat gegründet. Würde ich das heute laut aussprechen, würde ich allgemeines Gelächter ernten. Vielleicht in fünf Jahren – und ganz sicher in fünfzig – wird es jeder wissen«. In seinem Tagebuch (S. 47) prognostizierte Herzl: »Die Antisemiten werden unsere loyalsten Freunde werden, die antisemitischen Nationen unsere Alliierten«. Eine geradezu schockierende Litanei ähnlich gelagerter Zitate einflussreicher Zionisten findet sich auf der Webseite der »Partners for Progressive Israel« oder bei »Palestine Remembered«. So sagte David Ben-Gurion bei einer Rede 1938:


»Lasst uns die Wahrheit nicht ignorieren. Politisch gesehen sind wir die Aggressoren und sie verteidigen sich. Das Land gehört ihnen, weil sie es bewohnen, wohingegen wir hierherkommen und uns niederlassen wollen – und in ihren Augen wollen wir ihnen ihr Land wegnehmen. Hinter dem Terrorismus steht eine Bewegung, die zwar primitiv ist, aber nicht frei von Idealismus und Selbstaufopferung«.

 

Am 22. November 1947 erpressten von Ben-Gurion entsandte Agenten den Gründer der International Basic Economy Cooperation (IBEC), Nelson Rockefeller, um die für den 29. November 1947 angesetzte UN-Abstimmung zur Resolution 181 (II), die zur Gründung des Staates Israel führen sollte, zu manipulieren. Rockefeller sollte mittels der einflussreichen IBEC dafür sorgen, dass die südamerikanischen Staaten für die Annahme der Resolution stimmen. Das Druckmittel (S. 424 ff.): Dokumente, die belegen, dass sowohl die Familien Rockefeller und Bush als auch eine Vielzahl anderer Wall-Street-Größen den Aufstieg des Dritten Reiches finanzierten. Der Plan ging auf. Die Dokumente verschwanden. Und der vom erfolgreichen UN-Votum beflügelte Ben-Gurion erklärte 1948 gegenüber seinem Generalstab:


»Wir sollten uns auf die Offensive vorbereiten. Unser Ziel ist es, den Libanon, Transjordanien und Syrien zu zerschlagen. Der Schwachpunkt ist der Libanon, denn das muslimische Regime ist artifiziell und für uns leicht zu untergraben. Wir werden dort einen christlichen Staat errichten und dann die Arabische Legion zerschlagen, Transjordanien eliminieren. Syrien wird in unsere Hände fallen. Dann bombardieren wir und rücken weiter vor, um Port Said, Alexandria und den Sinai einzunehmen

 

Auf die Frage, was mit den Palästinensern geschehen soll, antwortete Israels erster Premierminister einst salopp:


»Vertreibt sie!«.


Und in sein Tagebuch schrieb Ben-Gurion am 18. Juli 1948:


»Wir müssen alles unternehmen, um sicherzustellen, dass sie nie zurückkehren«.

 

Yosef Weitz, ab 1932 Direktor des 1901 gegründeten und im Jahr 2015 knapp 13 Milliarden schweren Jewish National Fund (JNF), Spitzname »Architekt des Transfers«, umriss (S. 132) das zionistische Ziel wie folgt: »Die zionistische Idee ist die Antwort auf die Judenfrage im Land Israel (...). Die vollständige Evakuierung des Landes von seinen übrigen Bewohnern und dessen Übergabe an das jüdische Volk ist die Antwort«. Eine Seite später ergänzt er: »Durch Landkäufe, ohne Maßnahmen zur Umsiedlung der palästinensisch-arabischen Bevölkerung, werden wir unser Problem nicht lösen können«. Wie Weitz das »arabische Problem« zu lösen gedachte, lässt sich auf Seite 186 des Buches »Expulsion of the Palestinians« nachlesen: »Ich habe eine Liste der [palästinensischen] arabischen Dörfer erstellt, die meiner Meinung nach geräumt werden müssen, um jüdische Gebiete zu vervollständigen. Außerdem habe ich eine Liste der Orte erstellt, wo Streitigkeiten um Land bestehen und wir militärisch eingreifen müssen«. 

 

Max Nordau stellte auf Seite 40 seines Buches »Zionismus und Antisemitismus« bereits 1905 klar:


»Der Zionismus lehnt prinzipiell jede Kolonisation im kleinen Maßstab und die Idee eines Einschleichens nach Palästina ab«. Im Gegenteil fordert er, »dass die bestehenden und vielversprechenden Anfänge einer jüdischen Kolonisation gepflegt und erhalten werden sollen, bis die Bewegung in großem Umfang möglich ist«. 

 

Zionistische Praxis

 

Dieser Umfang sollte zum Beispiel durch »Hebräische Arbeit« – auch genannt »Eroberung durch Arbeit« – erreicht werden. Durch ein zionistisches Konzept, das ab 1905 viel Unterstützung bei den jüdischen Siedlern fand und darauf abzielte, arabischstämmige Arbeitskräfte zu vertreiben. Parallel dazu erwarben zionistische Organisationen Landflächen in Palästina und legten fest, dass diese niemals an nicht-jüdische Besitzer übergehen dürften. In die gleiche Kerbe schlug die Gründung der ersten Kibbuzim, die als kollektivistische Agrargemeinschaften nur Menschen jüdischer Abstammung aufnahmen. Damit war das Kibbuz auch Prototyp für jene Siedlungen, die später außerhalb der Landesgrenzen Israels entstehen sollten. Der aus Belarus stammende Chaim Weizmann, zunächst Präsident der World Zionist Organisation und später erster Staatspräsident Israels, schrieb in seiner 1949 veröffentlichten Autobiographie, er habe »die Hoffnung, dass Palästina durch jüdische Einwanderung letztendlich so jüdisch werden würde wie England englisch ist«. Weizmann erklärt in seinem Buch, wie er sich den »herausragenden Erfolg, den die Franzosen in Tunesien hatten«, zum Vorbild nahm. »Was die Franzosen in Tunesien erreicht haben, könnten die Juden in Palästina erreichen«, so Weizmann.

 

Die 1948 beginnende Nakba, die knapp 750.000 arabischstämmige Palästinenser ihre Heimat kostete, unterstrich, dass Weizmann nicht übertrieben hatte. Paramilitärische Terrorgruppen wie Haganah, Irgun und Lehi – aus denen sich später die IDF (Israel Defense Forces) formten – massakrierten skrupellos die einheimische Bevölkerung und räumten über 500 Dörfer, die entweder dem Erdboden gleichgemacht oder direkt von Siedlern übernommen und mit neuen hebräischen Namen ausgestattet wurden. Israel vermarktet die ethnische Säuberung der Nakba bis heute als Teil eines Unabhängigkeitskrieges, der zur staatlichen Souveränität Israels beigetragen habe. Zionistischer Zynismus. Denn der Nakba folgte die Naksa, eine weitere Welle von Vertreibungen, die nach dem Sechstagekrieg von 1967 begann – und nie aufhörte.

 

Wer sich dieser Tage also primär echauffiert, weil die Opfer von ethnischer Säuberung und Oppression sich mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln wehren, sei auf eine Rede des ehemaligen israelischen Stabschefs Moshe Dayan aus dem Jahr 1956 verwiesen:


»Wer sind wir, dass wir gegen ihren Hass ankämpfen sollten? Seit acht Jahren sitzen sie nun schon in ihren Flüchtlingslagern in Gaza – und vor ihren Augen machen wir das Land und die Dörfer, in denen sie und ihre Vorfahren gelebt haben, zu unserem Siedlungsgebiet. Wir sind eine Generation von Siedlern. Ohne Stahlhelm und Kanone können wir keinen Baum pflanzen und kein Haus bauen.« 

 

Damals waren es erst »acht Jahre«. Nun sind es bald achtzig – und von Gaza ist kaum noch etwas übrig. Nach aktuellen Angaben der Vereinten Nationen sind 80 Prozent der Gebäude im Gazastreifen zerstört oder beschädigt. In Gaza Stadt sind es 92 Prozent. Die Times of Israel sprach am 8. Oktober von 83 Prozent und circa 81.000 Gebäuden. Knapp 70.000 Menschen starben bislang aufgrund der unverhältnismäßigen israelischen Angriffe. Darunter mindestens 20.000 Kinder.


»Einer von zehn Menschen wurde bei einem israelischen Angriff getötet oder verletzt. Neun sind vertrieben. Mindestens drei von zehn haben seit Tagen nichts gegessen. Von 100 Kindern haben vier einen oder beide Elternteile verloren. Von zehn Gebäuden (...) sind acht entweder beschädigt oder dem Erdboden gleichgemacht. Von zehn Wohnhäusern sind neun zerstört. Von zehn Hektar Ackerland sind acht zerstört (...).« (AP, 9. Oktober 2025)

 

Damit hat Netanyahu sein Ziel wohl fast erreicht. Denn 2019 gab er in einem Online-Post offen zu, dass »Israel kein Staat für all seine Bürger ist«, sondern »der Nationalstaat der jüdischen Bürger – und nur dieser«. Das zionistische Kolonialisierungsprojekt hat demnach die finale Phase erreicht. Denn dauerhafter Frieden, eine Zwei-Staaten-Lösung oder gar ein unabhängiger palästinensischer Staat scheinen in Anbetracht des Status quo kaum noch vorstellbar. Das allerdings bringt die israelische Regierung zusehends in Bedrängnis. Denn kaum jemand glaubt noch an deren Propaganda-Narrativ und »Selbstverteidigung«. Weltweit gehen Menschen auf die Straße und protestieren gegen den offensichtlichen Genozid. Die IDF, eine der schlagkräftigsten Armeen der Welt, »kämpft« nämlich nicht gegen einen ebenbürtigen Gegner, der Kampfflugzeuge, Marine, KI-gesteuerte Drohnen und modernes Kriegsgerät ins Feld führt – sondern gegen die Zivilbevölkerung. Und jeder sieht es.

 

Wenig überraschend also, dass die zionistische Deutungselite seit jeher zu unlauteren Methoden greift, um das Apartheidregime in Israel als Opfer erscheinen zu lassen. Zu False Flags. Schon 1989 wurde ein Student jüdischer Abstammung in den USA dabei ertappt, wie er einen antisemitischen Übergriff inszenierte. Ähnliches ereignete sich 2004 in Frankreich, 2017 in New York und Großbritannien, 2019 in Washington, 2021 in Deutschland, 2022 in Chicago, im März 2025 in Sydney (Australien) und vor wenigen Tagen wieder in New York. Und das sind nur die paar Fälle, die meine Suchmaschine auf Seite eins auswarf. Das European Legal Support Center (ELSC) untersuchte vor zwei Jahren 40 Vorwürfe von Antisemitismus zwischen 2017 und 2022. Das Ergebnis: Keines. Denn in keinem der 40 Fälle lag rechtlich sanktionierbares, antisemitisches Verhalten vor. Und auch das fällt immer mehr Menschen auf.

 

So verlagert sich der zunehmend aussichtslose Propaganda-Krieg des zionistischen Regimes in den digitalen Raum. Während die kinetische Kriegsführung gegen die Reste Palästinas aus zionistischer Sicht nämlich durchaus erfolgreich verlief, zieht Israel im Propaganda-Krieg langsam aber sicher den Kürzeren. Denn niemand, der klar denken kann und einen moralischen Kompass hat, unterstützt das wahllose Abschlachten wehrloser Frauen und Kinder.

 

Um der zunehmenden öffentlichen Ablehnung des israelischen Vorgehens entgegenzuwirken und ökonomischen Schaden von ihrem »Partner« im Mittleren Osten abzuwenden, verabschiedeten die USA am 31. Januar 2025 ein Gesetz, das Unternehmen die Teilnahme an bestimmten, von NGOs lancierten Boykott-Aktionen gegenüber anderen Ländern verbietet. Kurz darauf erließen auch diverse US-Bundesstaaten Gesetze, die den Boykott israelischer Waren und Dienstleistungen kriminalisieren. Der Deutsche Bundestag reagierte noch früher und diskutierte bereits Anfang 2024 eine grundrechtsgefährdende Antisemitismus-Resolution, die schließlich am 7. November 2024 angenommen wurde. Die vage Formulierung des Papiers ist geradezu eine Einladung zu dessen Missbrauch. Denn es öffnet der willkürlichen Diffamierung kritischer Stimmen Tür und Tor und stellt eine massive Bedrohung für Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit dar.

 

Gleiches gilt für den Umstand, dass bereits Anfang 2025 bekannt wurde, dass die auf Samsung Smartphones vorinstallierte, von der fragwürdigen israelischen Firma Iron Source entwickelte »AppCloud« hochsensible Nutzerdaten sammelt. Gegründet wurde Iron Source im Jahr 2010 von Tomer Bar-Zeev, der – welch eine Überraschung – Computerwissenschaften beim IDF studierte, um dann von Goldman Sachs als einer der überzeugendsten Firmengründer und 2015 auch vom Weltwirtschaftsforum (WEF) ausgezeichnet zu werden. Obwohl seine Firma sich vor allem dadurch einen Namen machte, dass sie Malware verbreitet. Im Lichte dieser Umstände sei nochmals daran erinnert, dass Israels geheimdienst-nahe Tech-Startups etwa 400.000 Angestellte beschäftigen, 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften und für 53 Prozent der Exportwirtschaft verantwortlich sind. Gegen die sich ausweitende Missbilligung von Israels destruktivem Vorgehen in Gaza kann allerdings auch das nichts ausrichten.

 

Schlachtfeld Social Media

 

Daher fokussiert sich der von britischen, amerikanischen und israelischen Geheimdiensten koordinierte Propaganda-Apparat der Zionisten nun auf Social Media Plattformen. Denn auf TikTok und Twitter kursieren trotz orchestrierter Zensur weiterhin Bilder, Videos und Augenzeugenberichte von Israels Gräueltaten und Kriegsverbrechen. Algorithmen zu frisieren, Profile zu sperren und Reichweiten zu drosseln genügt nicht mehr, um die Wahrheit auszublenden. Aus diesem Grund sucht das vom Zionismus korrumpierte Establishment händeringend nach anderen Lösungen, um das offizielle Narrativ zu retten.

 

Eine dieser Lösungen heißt Larry Ellison. Der Gründer von Oracle, einem Tech-Konzern, der als CIA-Projekt begann, ist seit September 2025 – und laut Forbes – der zweite Mensch in der Geschichte, der ein Vermögen von über 400 Milliarden besitzt und gilt als »größter Förderer Israels«. Schon 2015 führte Ellison die Liste der 20 einflussreichsten »Zionäre« der USA an, eine Rangliste von Milliardären jüdischer Abstammung, die den Zionismus mit Großspenden unterstützen. Und Ellison spendet viel. 2017 zum Beispiel 16,6 Millionen US-Dollar an die IDF. Den Kriegsverbrecher Netanyahu zählt er zu seinen engsten Freunden. Es dürfte demnach kaum Zufall sein, dass Larry Ellison am 7. August 2025 den Medien-Giganten Paramount Global übernahm, zu dem unter anderem CBS News gehört, und die Hardcore-Zionistin Bari Weiss als Chefredakteurin installierte. Eine Übernahme von Warner Bros., dem Mutterkonzern von CNN, erscheint derzeit ebenfalls wahrscheinlich, dürfte aber erst 2026 stattfinden.

 

Kurz nach Ellisons Übernahme von Paramount Global wurde bekannt, dass Oracle neben Andreessen Horowitz, Silvergate und anderen US-Investoren am Kauf des amerikanischen Betreibers von TikTok – ByteDance – beteiligt sein wird, weil Ellison sich eine dominante Position in der Medienbranche sichern möchte. Ende Oktober übernahm das von Ellison geführte US-Konsortium ByteDance für rund 15 Milliarden US-Dollar, obwohl das Unternehmen von Analysten kurz zuvor noch mit rund 330 Milliarden Dollar bewertet wurde. Für die Zionisten scheint es sich also auszuzahlen, dass nach Aussagen des US-Kongressabgeordneten Thomas Massie jeder seiner Kollegen einen AIPAC-Aufpasser zugewiesen bekommt. Dazu passend berichtete die israelische Haaretz am 9. November 2025, dass »Israel Millionen in Trump-nahe US-Firmen investiert, um Kirchgänger zu beeinflussen, Chatbots zu lancieren, Influencer anzuheuern und ChatGPT israelfreundlicher zu machen«. Am gleichen Tag erschien ein Artikel des Wall Street Journal, der erklärte, dass die NSO Group, ein berüchtigter Hersteller von Spionage-Software aus dem Dunstkreis israelischer Geheimdienste, einen neuen Hauptaktionär in ihren Reihen begrüßt – Robert Simmonds – einen Hollywood-Produzenten, der nun einen Trump-Vertrauten engagiert hat, um das ramponierte Image der NSO Group aufzupolieren.

 

Bezeichnend, dass sich der kolumbianische Präsident Gustavo Pedro noch im September und Oktober 2025 darüber beschwerte, dass die CIA die Pegasus-Software der NSO Group einsetze, um Kolumbien auszuspionieren. Die Quadrokopter-Drohnen von Skydio, die von den IDF in Gaza verwendet werden, fliegen unterdes schon in den USA Patrouille. Über 800 Verträge mit den hiesigen Sicherheitsbehörden hat das von Andreessen Horowitz startfinanzierte Unternehmen bereits abgeschlossen. Von Palantir gar nicht erst anzufangen.

 

Beim Kauf von Anteilen der NSO-Group oder TikTok USA geht es natürlich nicht nur um Deutungshoheit und Narrativ-Management – denn gerade Oracle ist, genau wie Peter Thiels Palantir oder die NSO Group – zuvorderst ein Geheimdienst-Projekt, das Daten hortet. Ellison selbst hatte 1977 vor allem den Auftrag, eine relationale Datenbank für die amerikanischen Geheimdienste zu programmieren. Bis anhin beschäftigt Oracle 1.000 Vertriebs- und Beratungsmitarbeiter, die sich ausschließlich auf Projekte für die Regierung konzentrieren und Staaten aktiv Software zur Erstellung detaillierter digitaler Karten anbieten, die dann zur Reaktion auf und Prävention von »Anschlägen« genutzt werden können. Stichwort: Prädiktive Polizeiarbeit. In diesem Kontext sei nochmals an ein vielsagendes Zitat des Oracle-Gründers erinnert:


»Die Oracle-Datenbank dient der Verwaltung praktisch aller Daten. Informationen zu ihren Banken, ihrem Kontostand, ihrem Sparguthaben – all das wird in einer Oracle-Datenbank gespeichert. Ihre Flugreservierung ist in einer Oracle-Datenbank hinterlegt. Ihre bei Amazon gekauften Bücher sind in einer Oracle-Datenbank gespeichert. Ihr Profil bei Yahoo! ist in einer Oracle-Datenbank gespeichert

 

Im September 2024 ergänzte Ellison diese Aussage mit einer Prognose, die in Zeiten oktroyierter, omnipräsenter KI als Drohung verstanden werden muss:


»Die Bürger werden sich vorbildlich verhalten, da wir ständig aufzeichnen und berichten

 

Dafür sorgen neben Zionisten wie Ellison und Co. natürlich auch amerikanische Geheimdienste – unter anderem durch ein Undercover-Programm des Pentagon namens »Signature Reduction«, für das circa 60.000 verdeckt operierende Cyber-Agenten und etwa 130 private geführte Unternehmen arbeiten. Zehn Mal mehr als für die CIA. Es steht angesichts der machtpolitischen Verhältnisse in Washington wohl außer Frage, dass »Signature Reduction« mittlerweile einen Großteil seiner Ressourcen für »aufzeichnen und berichten« im Dienste des internationalen Zionismus verwendet.

 

Das bezieht sich neben TikTok, Facebook, Instagram und YouTube vor allem auf Twitter. Denn im November 2023 reiste Elon Musk nach Tel Aviv, um an einem geheimen Meeting teilzunehmen. Neben Musk anwesend waren: Benjamin Netanyahu, Omri Casspi, ein ehemaliger Basketball-Profi, der sich für »Zionismus 2.0« engagiert, der ehemalige IDF-Brigadegeneral Daniel Gold, der heute die militärischen Forschungseinrichtungen Israels leitet, Michael Eisenberg, Partner des Risikokapitalfonds Aleph, sowie Guy Tytunovich, ehemaliges Mitglied der Elite-Cybereinheit Unit 8200 und CEO des israelischen Cybersicherheitsunternehmens CHEQ. Ergebnis der Zusammenkunft: Elon Musk unterschrieb einen Vertrag mit CHEQ, der Twitter offiziell dabei helfen soll, Bots und falsche Profile loszuwerden – wobei die Vereinbarung israelische KI- und Bot-Armeen wohl außen vor lassen dürfte.

 

Ein halbes Jahr nach dem Meeting in Tel Aviv berichtete die New York Times, dass Israel mit verdeckt lancierten Social Media Kampagnen gezielt US-Beamte ins Visier nimmt, um deren Meinung zu Gaza zu manipulieren. Und Ende September 2025 wurde bekannt, dass Israel ausgewählten US-Influencern nun 7.000 US-Dollar pro israelfreundlichem Social Media Beitrag bezahlt, nachdem sich Netanyahu mit diesen unter Ausschluss der Öffentlichkeit in New York getroffen hatte.

 

Nachdem das israelische Geheimdienst-Spin-off AU10TIX entgegen Musks Beteuerungen seit Jahren für die biometrische Identifikation von Twitter-Nutzern verantwortlich ist, verschaffte der Vertrag mit CHEQ dem israelischen Geheimdienstkomplex nun aber direkten Zugriff auf Datenbanken und Coding der Plattform. Ebenfalls direkt mit Twitter verbunden: Cybra, ein weiteres Unit-8200-Unternehmen, Similarweb, ein vom ehemaligen IDF-Mitglied Or Offer gegründetes Unternehmen mit Sitz in London und die von Amnon Shashua gegründete KI-Firma Or Cam, die natürlich auch mit ehemaligen IDF- und Unit 8200-Mitgliedern aufwarten kann. Twitters KI, Grok, bestätigt außerdem, dass das Unternehmen (X Corp.) ein R&D Center in Tel Aviv betreibt und über LinkedIn Personal dafür rekrutiert wurde – dass es aber keine offizielle Adresse eines Büros gibt. Was das bedeutet, kann sich im Lichte der vorgängig dargelegten Informationen wohl jeder selbst ausmalen.

 

Das Resultat all dieser direkten Verbindungen in israelische Geheimdienstkreise zeigt sich im (2023 erstmals geleakten) Code von Twitter. Denn in der aktuellen Version (Abb. 2) tauchen gemäß der mit Grok und Mermaid erstellten und am 31. Oktober 2025 veröffentlichten Analyse eines augenscheinlich gut informierten Nutzers, der Zugang zu klassifizierten Dokumenten zu haben scheint, die Anti-Defamation League (ADL) und deren als »Dashboard« bezeichnete schwarze Liste, »Lavender«, die (hier eindrücklich erklärte) Killer-KI von IDF und Unit 8200 und ominöse »Bot Checks« von CHEQ auf – sowie eindeutige Hinweise, dass täglich mindestens 10.000 Chaträume auf Twitter, sogenannte Spaces, vom israelischen Geheimdienst überwacht und analysiert werden.

 

Was die Mermaid-Analysen da visualisieren, ist die digitale »Kill-Chain«. Der Zensur- und Exekutionscode des »Zionismus 2.0«. Eine Abfolge von relationalen Datenbankanalysen, -interaktionen und Programmabläufen, die Nutzerkonten automatisch als israelkritisch markieren, einschränken, sperren und an Behörden melden – und die über eine direkte Anbindung an IDF-Software vor Ort dafür sorgen können, dass eine unbemannte Drohne, eine Rakete oder ein Kampfflugzeug startet und das von der KI identifizierte Ziel in Gaza eliminiert.

 

87 Prozent dieser folgenschweren Entscheidungen werden dem Statement eines Zugriffsberechtigten nach automatisch getroffen – und die meisten davon sind falsch. Das betrifft zehntausende von Fällen. Zehntausende unschuldiger Opfer. Dass diese hohe Fehlerquote die ethnische Säuberung Gazas beschleunigt, dürfte den zionistischen Fanatikern nicht ungelegen kommen.

 

Ja, das Freiluftgefängnis Palästina ist ein Testgelände für KI-geführten Krieg. Ein paar Zeilen Code und ein paar Datenbankeinträge entscheiden über Leben und Tod. Noch beschränkt sich dieses Vorgehen außerhalb Gazas auf den digitalen Raum. Die Frage ist allerdings: Wie lange noch?

 

Wenn ich vom »Schlachtfeld Social Media« spreche, ist das nämlich zunehmend wörtlich zu verstehen.




Bilder: Netzfund


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